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Das Klinikpersonal arbeitet unter Hochdruck. Nun soll im Kampf gegen noch mehr Corona-Tote Hilfe aus dem Gastro-Gewerbe kommen. Arbeiten Kellner bald in Krankenhäusern?
München - Pfleger, Schwestern und Ärzte - das medizinische Personal ist am Rande der Belastbarkeit und mancherorts schon darüber hinaus. Nun soll Hilfe kommen - von Kellnern und Köchen! Wegen der Corona-Krise* haben Kliniken und Pflegeheime aus München und Umgebung die Gastronomie um Hilfe gebeten.
Wie der Bayerische Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) mitteilt, richtete das Referat für Umwelt und Gesundheit der Stadt München (RGU) eine Anfrage an den Verband. Gesucht seien Mitarbeiter aus Hotels und Gaststätten, die bereit sind, in Kliniken und Pflegeeinrichtungen stundenweise als Servicekräfte auszuhelfen. Angesprochen seien insbesondere Mitarbeiter, die sich zurzeit in Kurzarbeit befinden.
„Die Pflegekräfte arbeiten seit Wochen am Limit und brauchen jede verfügbare Hilfe“, so der Dehoga Bayern in einem Schreiben an seine Mitglieder. Die Gastronomie-Mitarbeiter seien wiederum flexible Fachkräfte, die sich „auch im Hochbetrieb zu Höchstleistungen motivieren“. Münchens Gesundheitsreferentin Beatrix Zurek (SPD) sagte am Sonntag zur tz: „Wir hatten uns überlegt, dass Personal aus der Gastronomie beispielsweise Pflegeheime bei der Essensausgabe unterstützen könnte.“
Die ursprüngliche Idee stammt von den Ärzten Wolfgang Burgaß und Florian Vorderwülbecke. Beide arbeiten seit über 20 Jahren auf der Wiesn als Notfallmediziner. Aktuell kümmern sie sich um die Koordination von Hilfskräften in Krankenhäusern und Pflegeheimen. „Dort herrscht derzeit ein erheblicher Personalmangel“, sagt Burgaß.
Mit ein Grund: Immer mehr Pfleger und Ärzte befinden sich selbst in Quarantäne oder sind krank, gleichzeitig seien Corona-Patienten deutlich pflegeintensiver. „Deshalb haben wir uns gedacht, warum nicht Unterstützung aus der Gastronomie anfragen?“ So entstand letztlich der Kontakt zu Münchens Dehoga-Chef Christian Schottenhamel. Der sagt: „In den Pflegeheimen und Krankenhäusern ist Land unter, die können jede helfende Hand gebrauchen.“ (S. Karowski, S. Mercier) *tz.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks
Bayerns Kliniken helfen sich in der Corona-Krise nicht nur beim Personal gegenseitig. Auch schwer kranke Patienten mussten schon „quer durch Bayern“ verlegt werden, weil in Augsburg die Intensivbetten knapp wurden.
München – Siegfried Hasenbein hat mit Kliniken und ihren Problemen einige Erfahrung. Seit 17 Jahren führt der 63-Jährige die Bayerische Krankenhausgesellschaft (BKG), in wenigen Tagen geht er in den Ruhestand. Aber so etwas wie die Corona-Epidemie hat auch er noch nicht erlebt. Hasenbein findet, dass die Krankenhäuser im Freistaat diese Herausforderung bisher gut gemeistert haben. Und er ist auch zuversichtlich, dass die bayerischen Krankenhaus-Strukturen insgesamt dem Corona-Winter standhalten werden. „Aber wir kommen nun in eine schwierige Phase in der Pandemiebewältigung“, sagt Hasenbein. „Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, besonders die Ärzte und Pflegekräfte, sind längst am Limit angekommen und nicht unendlich belastbar.“ Es gebe auch einzelne Kliniken, die „an ihren Grenzen“ angelangt sind.
Augsburg: „Kapazitäten ausgeschöpft“Als Beispiel für Krankenhäuser, deren „Kapazitäten ausgeschöpft“ sind, nennt Hasenbein das Universitätsklinikum Augsburg. Weil sonst keine Intensivbetten mehr frei gewesen wären, mussten von dort bereits schwer kranke Patienten verlegt werden – teils „auch quer durch Bayern“, wie Hasenbein sagt. Voraussichtlich kein einmaliger Vorgang. „Man wird sich darauf einstellen müssen, dass Patienten weiter weg verlegt werden müssen“, sagt Hasenbein. Umso mehr, da der BKG-Chef davon ausgeht, dass die Zahl der Patienten auch auf den Intensivstationen in den nächsten zwei Wochen weiter zunimmt. In Augsburg ist bereits seit vergangener Woche sogar die Bundeswehr im Einsatz. Soldaten unterstützen das Klinikpersonal.
Genau dort, beim Personal, liegt bei einer weiteren Zuspitzung der Corona-Lage die „Achillesferse“ der Krankenhäuser, sagt Hasenbein. Man könne den über Jahre entstandenen Fachkräftemangel nun einmal nicht innerhalb von Wochen oder Monaten kompensieren. Um die Engpässe zu überbrücken, helfen sich die Kliniken gegenseitig mit Personal aus. Auch Medizinstudenten helfen mit. Zudem müssten wie im Frühjahr wieder Eingriffe verschoben werden, sagt Hasenbein. Doch anders als damals solle das diesmal regionaler und klüger gesteuert ablaufen. Aus der ersten Welle habe man gelernt, dass „nicht jede planbare Behandlung verschiebbar ist“. Dass damals auch Patienten mit schweren Erkrankungen die Kliniken gemieden haben, soll diesmal verhindert werden.
Wie sieht die Lage der Krankenhaus-Intensivbetten im Landkreis Freising aus? Ein Kliniksprecher gibt Auskunft - und ordnet die aktuellen Zahlen ein.
Freising – Im Landkreis Freising gibt es aktuell keine freien Intensivbetten mehr. Das geht es den Donnerstagsdaten des DIVI-Intensivregisters hervor. „Das heißt aber nicht, dass die Station für Tage nicht verfügbar ist“, erklärt Sascha Alexander. Der Sprecher des Freisinger Klinikums sagt jedoch auch: „Wir laufen langsam voll.“
Das Register der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, kurz DIVI, sei schon vor der Pandemie installiert worden, habe aber in den vergangenen Monaten an Fahrt aufgenommen, berichtet Alexander. Seit April müssen die Akutkrankenhäuser – sprich Einrichtungen mit akuttherapeutischen Abteilungen wie Notfallambulanz oder Schlaganfall-Einheit – die Kapazitäten ihrer Intensivstation immer vormittags melden, mittags werden die Zahlen aktualisiert.
Corona im Landkreis Freising: Zahl der freien Intensivbetten schwanktDas Register sei ein Instrument, um sich einen Überblick zu verschaffen. „Es geht darum, die Kapazitäten der Häuser gleichzeitig zu erfassen und so den Austausch zu erleichtern“, erläutert Alexander. In der Region sei diese Meldung ein Hinweis für die Beteiligten des Rettungsbezirks Freising – Erding – Ebersberg. „Wer einen Notfall transportiert, weiß so, dass er nicht aufs Geratewohl zum Krankenhaus fährt und hofft, dass noch Platz ist, sondern die Lage abklärt.“
Wichtig sei, dass der DIVI-Tagesreport lediglich eine „Wasserstandsmeldung“ sei. Alexander betont: „Man darf nicht vergessen, dass jede Intensivstation im Laufe des Tages immer versucht, Patienten, die nicht mehr intensivpflichtig sind, wieder auf Station zu verlegen.“ Die Zahl der freien Intensivbetten könne demnach von Tag zu Tag variieren.
„Muss priorisiert werden, damit Schwerstkranke Intensivbetten bekommen“Doch natürlich seien die Kapazitäten irgendwann einfach belegt. Das Register helfe dann, sich besser untereinander abstimmen zu können. „Momentan ist es nur im Ausnahmefall so, dass wenn die Kliniken in Freising, Erding und Ebersberg voll sind, Patienten eventuell auch nach München verlegt werden“, so der Klinik-Sprecher.
Zu beachten sei auch, dass bei Weitem nicht alle Intensivbetten von Corona-Patienten belegt seien. Laut DIVI-Register sind es in Freising aktuell 35,7 Prozent. „Das ist derzeit natürlich die große Herausforderung: den Normalbetrieb ebenso abzudecken. „Einerseits müssen alle versorgt werden, andererseits muss priorisiert werden, damit die Schwerstkranken ihre Intensivbetten bekommen“, sagt Sascha Alexander.
Covid-19: Zahl der Intensivbetten nicht einziger limitierender FaktorDer Klinikumssprecher betont jedoch auch, dass die Zahl der (belegten) Intensivbetten in Relation gesehen werden müsse. „Entscheidend ist, wie die Versorgung aussieht.“ Gerade bei Covid-19-Schwerstverläufen, die auf eine Beatmung angewiesen sind, sei der limitierende Faktor nicht die Zahl der Betten, sondern die der Geräte und des Fachpersonals, das damit arbeiten kann. Alexander sagt: „Wir müssen immer auf Sicht fahren.“
Nach dem Corona-Ausbruch in der München Klinik Neuperlach arbeiten die Krisenmanager mit Hochdruck daran, weitere Infektionen zu verhindern. Dazu liegen neue Testergebnisse vor. Unterdessen ist eine schwerstkranke Patientin verstorben.
+In der München Klinik Neuperlach ist der Corona-Ausbruch nach Klinikangaben unter Kontrolle.© Sigi JantzUpdate vom 20. November, 18.59 Uhr: Der Corona-Ausbruch in der München Klinik Neuperlach beschränkt sich auf eine Station und ist eingedämmt. Verschiebbare Operationen wurden abgesagt, in der Kardiologie Bogenhausen gilt ein Aufnahmestopp. Das hat die München Klinik am Freitag mitgeteilt.
Abschließend seien insgesamt 15 Patienten und 7 Mitarbeiter der Neuperlacher Station positiv getestet worden, heißt es. Weitere Infektionen seien nicht mehr entdeckt worden. 14 Tage nach dem ersten positiven Test eines Patienten gelte das Infektionsgeschehen damit als eingedämmt.
Weiter meldet die Klinik, 1000 zusätzliche Mitarbeitertestungen seien umgehend eingeleitet worden. Zusätzlich seien in der vergangenen Woche über die Schnittstellen der betroffenen Station hinaus alle Mitarbeitenden der patientennahen Bereiche (Pfleger, Ärzte, Therapeuten, sowie Reinigungsdienst) in der gesamten München Klinik Neuperlach getestet worden – allesamt ohne neuen Befund. „Das Ergebnis belegt, dass das Infektionsgeschehen im Rahmen des aktuellen Sicherheitskonzepts in kurzer Zeit erfolgreich eingedämmt wurde und das Sicherheitskonzept greift“, schreibt das städtische Klinikunternehmen.
Auch in der Kardiologie in Bogenhausen sind ein Patient und ein zuvor negativ getesteter Mitarbeiter positiv getestet worden. Bis die Ergebnisse der nun laufenden mehrfachen Reihentestung vorliegen, werden voraussichtlich in den nächsten zehn Tagen keine Patienten neu in der Kardiologie aufgenommen.
Bereits zu Wochenbeginn hat die München Klinik für alle Standorte eine weitere Reduktion des OP-Programms beschlossen. Es werden nur noch nicht verschiebbare Operationen durchgeführt. Die Patienten werden in Einzelzimmern untergebracht, bis ein negatives Testergebnis bestätigt wurde. sc
Corona-Ausbruch in München Klinik: Schwerstkranke Patientin verstorben - Kliniksprecher erklärt HintergründeErstmeldung vom 15. November, 12.52 Uhr:
München - Nach dem Corona-Ausbruch in der München Klinik Neuperlach erleben die Ärzte und Krisenmanager an diesem Wochenende ein Wechselbad der Gefühle. Zunächst bekamen sie ermutigende Testergebnisse auf den Tisch. Diese lassen darauf schließen, dass der Krisenplan gegen eine weitere Ausbreitung des Virus zu greifen scheint. Doch im Laufe des Sonntags traf eine traurige Nachricht ein: Es gibt einen Todesfall zu verzeichnen. Nach Informationen von tz und Münchner Merkur handelt es sich um eine hochbetagte und schwerkranke Patientin, die bereits vor ihrer Infektion mit dem Sars-Cov2-Virus palliativmedizinisch bereut und unter anderem mit einer Magensonde künstlich ernährt worden war. Der Sprecher der München Klinik, Raphael Diecke, bestätigte den Todesfall gegenüber unserer Redaktion, wollte aber aus Datenschutzgründen keine Angaben zum Alter der Verstorbenen machen.
Kliniksprecher: Patientin „aufgrund nicht therapierbarer Vorerkrankungen gestorben“Zu den Hintergründen erklärte Diecke auf Anfage von Münchner Merkur und tz: „Einige der hochbetagte Patienten sind aufgrund ihrer zahlreichen schweren Vorerkrankungen bereits vor einem positiven Covid-19- Testergebnis auf eigenen Wunsch oder in Abstimmung mit den Angehörigen in palliativer Therapie - das heißt: keine lebensverlängernden Maßnahmen, keine Intensivstation, keine künstliche Beatmung. Ein*e Patient*in ist am Wochenende aufgrund der nicht weiter therapierbaren Vorerkrankungen verstorben. .“
Ermutigende Ergebnisse nach weiterer Testreihe bei 44 PatientenNach Informationen von Münchner Merkur und tz liegen inzwischen weitere Testergebnisse vor, die die behandelnden Ärzte des Klinikums optimistisch stimmen. Zwar ist inzwischen eine weitere Patientin positiv auf das Sars-Cov2-Virus getestet worden, aber mit diesem Laborergebnis - das zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Infektionsgeschehens am Freitag noch nicht vorlag - hatten die Mediziner bereits gerechnet. Damit haben sich nach Angaben der Klinik 11 Patienten infiziert. Ferner befinden sich drei Mitarbeiter in häuslicher Quarantäne, so dass nach dem ersten Todesfall derzeit insgesamt 13 Corona-Patienten in dem städtischen Krankenhaus registriert sind. Allerdings sind keine weiteren Fälle mehr dazugekommen. Diese ermutigende Nachricht hat sich bei einem erneuten Screening, also einer Reihentestung, aller 44 Patienten des Zentrums für Akutgeriatrie und Frührehabilitation herauskristallisiert. Die positiv getesteten Patienten waren bereits Ende vergangener Woche auf die Covid-19-Station der München Klinik Neuperlach verlegt worden. „Ihr Zustand ist unverändert stabil“, sagte der Sprecher der München Klinik, Raphael Diecke, unserer Redaktion. Er wies allerdings auch darauf hin, dass viele der betroffenen Patienten wegen schweren Grunderkrankungen insgesamt gesundheitlich stark angeschlagen seien.
Testkonzept ausgeweitet - Besuchsverbot an allen KlinikstandortenNach dem Corona-Ausbruch in Neuperlach hatte die München Klinik ihr Testkonzept ausgeweitet und die Sicherheitsmaßnahmen verschärft, so gilt unter anderem ein Besuchsverbot an allen Klinikstandorten. Zudem ist die München Klinik für ihre transparente und schnelle Informationspolitik im Zusammenhang mit Covid-19 bekannt - mit dem Ziel, alle Schutzmaßnahmen konsequent auszuschöpfen und die Bevölkerung einzubinden.
Schon über 1000 Corona-Fälle in München Klinik behandeltDer städtische Krankenhausverbund zählt zu den erfahrensten Behandlungszentren von Corona-Patienten. In den Kliniken wurden inzwischen 1000 Betroffene versorgt, darunter der erste deutsche Patient, der sich zu Beginn der Pandemie bei einer Arbeitskollegen aus China angesteckt hatte. Das Ärzteteam in der München Klinik Schwabing um Chefinfektiologen Professor Dr. Clemens Wendtner, zählt zu den Spezialeinheiten, die federführend an der Erforschung möglicher Therapien gegen das Sars-Cov2-Virus mitarbeiten.
Corona-Experten verzeichnen Erfolge und spektakuläre Rettungen+Infektiologe Prof. Dr. Clemens Wendtner© dpa+Intensivmediziner Prof. Dr. Joachim Meyer© München KlinikSo haben die Schwabinger Corona-Experten neben ihren Kollegen vom Uniklinikum rechts der Isar wertvolle Studienergebnisse im Zusammenhang mit dem Medikament Remdesivir geliefert. Es soll die Vermehrung des Virus im frühen Stadium eindämmen und dadurch schwere Verläufe verhindern. Die München Klinik meldet auch immer wieder spektakuläre Behandlungserfolge. So wurde im Klinikum Harlaching ein Patient nach 52 Behandlungsteam, davon 30 am Beatmungsgerät, und schwersten Komplikationen zurück ins Leben geholt. An seiner Rettung waren mehr als 100 Mitarbeiter um Chefarzt Professor Dr. Joachim Meyer beteiligt. Der erfahrene Intensivmediziner appelliert gemeinsam mit seinen Kollegen immer wieder an die Münchner, die Corona-Schutzmaßnahmen ernstzunehmen. Die Einhaltung der AHA-Regeln und das konsequente Tragen von Masken seien entscheidend, um eine weitere Eskalation des Infektionsgeschehens zu stoppen.
Rubriklistenbild: © Sigi Jantz
Münchner Merkur 06.02.2018
DIE ARBEITEN GEHEN LOS
Klinikum Bogenhausen wird saniert: Alles hängt an diesem Projekt
vonSascha Karowski
Jetzt geht’s los am Klinikum Bogenhausen: Die Arbeiten für den Erweiterungsbau haben begonnen. Danach geht’s dann mit der Sanierung weiter.
München - Bogenhausen baut intensiv! Problem: Das Klinikum ist das Herzstück des städtischen Sanierungskonzepts. Die tz weiß: Alles hängt an Bogenhausen! „Es ist das Flaggschiff der Kliniken, der größte und der teuerste Block. Und es wird der kritischste sein, da die Sanierung dann im Bestand erfolgen muss“, verrät ein Insider der tz. Technisch sei es eine Herausforderung, und es gebe anders als etwa in Harlaching oder Schwabing kaum Platz zum Ausweichen. „Für das Gelingen der Sanierung der Kliniken muss Bogenhausen im Zeit- und im Kostenrahmen bleiben.“ Der Baubeginn war bereits einmal verschoben worden. „In Schwabing haben wir deswegen eine Abteilung länger belassen müssen. Der Druck auf die Geschäftsführung ist enorm hoch.“
Geplant ist ein Neubau für größere OP-Trakte sowie die Intensiv- und Beatmungsstationen. Jetzt wird das Baufeld geräumt, Bäume müssen für einen Heli-Landeplatz weichen. Mitte 2019 soll Spatenstich sein. Parallel zum Neubau gibt es Umbauarbeiten in bestehenden Gebäuden. Die wiederum sollen dann umfangreich saniert werden, wenn die Erweiterung im Osten fertig ist. Erst danach können Abteilungen aus Schwabing nach Bogenhausen umziehen. 395 Millionen Euro soll das kosten – den Löwenanteil des Sanierungspakets. „Ich freue mich sehr, dass mit dem Projekt in Bogenhausen nun begonnen werden kann“, sagt CSU-Vize Hans Theiss (40). Horst Lischka (54), bei der SPD für Kliniken zuständig, ergänzt: „Es ist wichtig, dass die Bürger nun auch sehen, dass etwas vorangeht.“
BRIEF EINES RETTUNGSSANITÄTERS
Notaufnahmen in Not: Münchens überlastete Krankenhäuser
In den Münchner Krankenhäusern kommt es immer öfter zu Engpässen in der Notaufnahme. Rettungssanitäter klagen über lange Wartezeiten bei der Übergabe von Patienten und lange Fahrwege. Der Rettungszweckverband sieht die Notfallversorgung jedoch gewährleistet.
Ein Rettungssanitäter macht sich in einem anonymen Brief an diese Zeitung Luft. „Die Versorgung der Patienten ist nur noch mittels Zwangsbelegung der Krankenhäuser möglich“, schreibt der Mann, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Es gebe zu wenig Betten in den Kliniken. „Patienten liegen auf den Gängen und das über Stunden“, schreibt er.
Keine Kapazitäten: Die Notaufnahmen der Münchner Kliniken haben immer öfter keine Möglichkeit mehr, neue Patienten aufzunehmen. Vorgestern Abend um 19 Uhr hatte etwa nur ein Krankenhaus noch Luft (siehe Grafik oben).© Foto: marcus schlaf / Grafik: sc
Mittwochvormittag, 10 Uhr. Der Blick auf das vom Rettungszweckverband München betriebene Portal Ivena E-Health, das die Integrierte Leitstelle für den Einsatz aller Rettungswagen nutzt, zeigt: 15 der aufgelisteten 19 Münchner Kliniken haben keine Kapazitäten für die Notfallversorgung mehr. Lediglich bei der Klinik des Augustinums, beim Klinikum Martha-Maria, dem Städtischen Klinikum Bogenhausen und bei der Fachklinik für Naturheilwesen und Innere Medizin in Harlaching zeigt die Ampel grünes Licht. Hier können noch Patienten mit dem Rettungswagen eingeliefert werden. Am Dienstagabend um 19 Uhr ein noch drastischeres Bild: Zu diesem Zeitpunkt gibt es in keiner Münchner Klinik Aufnahmemöglichkeiten.
Akute Notfallpatienten, etwa Schwerstverletzte, würden natürlich trotzdem in der nächstgelegenen Klinik versorgt, sagt Roland Dollmeier, Geschäftsleiter des Rettungszweckverbands. „Die Notfallversorgung ist gewährleistet.“ Derzeit gehe es saisonbedingt eng zu. „Im Januar ist immer mehr los, und jetzt haben wir auch noch Glatteisunfälle.“ Ein großes Problem will Dollmeier nicht erkennen. „Wenn es eines gäbe, würde die Integrierte Leitstelle der Berufsfeuerwehr uns das mitteilen.“
Das sehen Mitarbeiter der Notaufnahmen anders. „Seit einer Woche geht das durch die Decke“, sagt einer, der aus Angst um seinen Job anonym bleiben möchte. In der Stadt kursiert eine schwere Influenza-Welle – die Grippe ist hochansteckend, für Ältere und Schwache kann sie tödlich sein. „Trotzdem liegen die Patienten stundenlang auf dem Gang. Jeder, der vorbei läuft, kann sich anstecken.“ Influenza-Patienten müssen eigentlich sofort isoliert werden – doch dafür fehlt Platz.
Auch Leonhard Stärk, Landesgeschäftsführer des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) spricht von „offenbar nicht mehr ausreichenden Kapazitäten“ in den Notaufnahmen. Seine Rettungsdienst-Mitarbeiter berichteten von einer „sehr angespannten“ Situation bei der Aufnahme von Patienten. Diese führe dazu, dass die Sanitäter und Notärzte länger vor Ort in der Klinik warten müssen, bis die Übergabe stattfinden kann. „Im Endeffekt heißt das eine größere Arbeitsbelastung und kürzere Pausen für unsere Leute“, betont Stärk. Die Überlastung zeige sich auch daran, dass Patienten immer öfter in weiter entfernte Kliniken gefahren werden müssten.
Dass das Problem sich verschärft hat, beobachtet auch Alfred Schallerer, der als Notarzt für das Chirurgische Klinikum München Süd Krankenhäuser anfährt. „Es kommt immer öfter vor, dass wir auf der Suche nach einem Bett mehrere Kliniken anfahren müssen oder am Notfallort lange warten müssen, bis wir überhaupt losfahren können.“ So gebe es etwa den Fall, dass er mit einem Intensivpatienten, der beatmet werden muss und instabil ist, 15 Minuten warte, bis ihm ein Klinikum zugeteilt werde. Das liege dann bisweilen aber am anderen Ende der Stadt.
Dass Patienten in Krankenhausfluren liegen, habe es immer gegeben, macht Dollmeier klar. „Das sind aber Menschen, die bereits eine Notfallversorgung bekommen haben, für die es aber kein Bett im Haus gibt.“ Diese Patienten müssten auf den Transport in eine andere Klinik warten. Dass Notaufnahmen überlastet seien, liege auch daran, dass sie zunehmend mit Menschen mit Bagatellerkrankungen voll seien, die glaubten, schneller behandelt zu werden als bei ihrem Hausarzt.
Das sieht auch das LMU-Klinikum in Großhadern und der Innenstadt so. Viele Patienten müssten „eigentlichvon niedergelassenen Ärzten oder den Bereitschaftspraxen versorgt werden“. Eine vorübergehend auftretende Überlastung der Notaufnahmen sei auf Krankheitswellen und witterungsbedingt gehäufte Unfälle zurückzuführen.
Generell, sagt Dollmeier sei die Klinikdichte in München groß, doch auch die Zahl der Patienten sei gestiegen. Das zeigt sich an den Zahlen des Rettungsdienstberichts 2015: In München ist die Zahl der Krankentransporte von 2005 bis 2014 um 26 Prozent gestiegen. Hier gebe es das „Problem mit der zunehmenden Zahl an Patienten, die einen Rettungsdienst in Anspruch nehmen, obwohl sie zu niedergelassenen Ärzten gehen könnten“, erklärt Professor Karl-Georg Kanz, Bereichsleiter Chirurgische Notaufnahme im Klinikum rechts der Isar.
Notarzt Schallerer sieht als Ursache für die Not in den Notaufnahmen auch den Pflegekräftemangel in den Kliniken – und bei den Sparmaßnahmen der Häuser. Ganze Stationen wurden in den vergangenen Jahren geschlossen, hunderte Betten gestrichen. Dazu kommt die alternde Gesellschaft. „Ältere Menschen können durch bessere medizinische Versorgung immer länger am Leben gehalten werden. Die Angehörigen wollen das auch: Kaum ein älterer Mensch stirbt noch zu Hause“, sagt Schallerer.
Nina Bautz, Caroline Wörmann, Carina Zimniok
Aktualisiert: 16.02.2015 - 18:35
KRANKENHAUS AGATHARIED
"Wir sind eindeutig an der Kapazitätsgrenze"
Agatharied - Notaufnahmen in Not. Ein besonders hohes Patientenaufkommen seit Ende Januar bringt viele Münchner Kliniken an die Grenzen ihrer Kapazitäten. Das hat Auswirkungen auf das Umland - auch auf das Krankenhaus Agatharied.
Die Notaufnahmen der großen Münchner Kliniken sind dicht: In den Wintermonaten führt die hohe Patientenauslastung bereits zu Aufnahmestopps in den Stadtkrankenhäusern. Viele Patienten werden mittlerweile ausgelagert und auf umliegende Kliniken verteilt. Im Interview schildert Dr. Peter Wellner (40), Chefarzt für Innere Medizin und Geriatrie, die Situation am Krankenhaus Agatharied.
Herr Dr. Wellner, bitte schildern Sie uns die momentane Situation im Krankenhaus Agatharied.
Wir haben bedingt durch die Jahreszeit gerade im Januar und Februar ein volles Krankenhaus. Das hat viele Gründe: Es rollt die Grippewelle, zusätzlich gibt es Skifahrerunfälle und einen höheren Anteil von Lungenentzündungen. Jetzt haben wir aber eine zusätzliche Situation, dass in München die Notaufnahmen dichtmachen und keine Kapazitäten mehr haben – das spüren wir indirekt auch: Wir bekommen Patienten, die sonst in München behandelt worden wären.
Ende Januar waren 50 große Münchner Kliniken überlastet – nur noch eine war aufnahmebereit.
Denken Sie auch über einen Aufnahmestopp nach? Es ist uns bisher gelungen, einen Aufnahmestopp in Agatharied zu vermeiden. Wir versuchen nach wie vor, jeden zu versorgen, der zu uns kommt – auch wenn es mal länger dauern kann und nicht immer gleich ein freies Bett verfügbar ist. Wir appellieren deshalb an die Bevölkerung, sich auf Wartezeiten einzustellen und gut abzuwägen, ob das Problem nicht auch beim Arzt in der Praxis oder durch den ärztlichen Bereitschaftsdienst gelöst werden kann.
Klingt nach einer dramatischen Situation. Wie sieht die Lage im Bereich Belegung, Unterbringung und Personal in Agatharied wirklich aus?
Im Moment sind wir sogar an den Wochenenden mit über 90 Prozent ausgelastet und somit am Anschlag. Im Bereich der Inneren Medizin, Neurologie und Geriatrie haben wir 195 Betten. Das Gesamthaus Agatharied hat insgesamt 340 Betten zur Verfügung. Bislang haben wir auch Bettensperrungen umgehen können – Gangbetten wollen wir unbedingt vermeiden. Einen klassischen Personalmangel haben wir keinen. Natürlich gibt es auch hier Krankheitsausfälle aufgrund der Grippe, aber das hohe Patientenaufkommen schafft bei der personellen Versorgung im Moment Schwierigkeiten. Wir sind eindeutig an der Kapazitätsgrenze der stationär krankenhauspflichtigen Patienten, die wir aufnehmen können – aber wir werden keinen ablehnen.
Warum ist die Lage heuer besonders brisant?
Es gibt trotz Impfung viele Grippekranke. Wir haben das Gefühl, dass der Grippe-Impfstoff dieses Mal nicht so wirkt wie sonst – möglicherweise liegt das an einer Mutation des Grippevirus. Die Skifahrerunfälle halten sich derzeit im Rahmen: Es sind an den Wochenenden rund 50 internistische Aufnahmen. Sicher liegt es aber auch daran, dass das Krankenhaus Agatharied von den Patienten grundsätzlich besser angenommen wird als in den vergangenen Jahren. Dieser Entwicklung wollen wir damit begegnen, dass wir noch heuer zusätzliche Betten in Betrieb nehmen.
Hilferuf von Ärzten: Bayerns Notaufnahmen sind überlastet
Die Notaufnahmen der Kliniken in München und im Raum Nürnberg sind völlig überlastet. Das haben Recherchen des Bayerischen Rundfunks ergeben. Zeitweise signalisierten die Kliniken in der Landeshauptstadt den Rettungsdiensten, keine Kapazitäten mehr für neue Patienten zu haben.
Von: Irene Esmann Stand: 13.02.2015
Den Recherchen zufolge hatten sich in München in den vergangenen Wochen zeitweise alle Kliniken für die internistische Notfallversorgung von Patienten von den Rettungsleitstellen abgemeldet. Ein Mitarbeiter des Rettungsdienstes des Arbeiter-Samariter-Bunds München sagte, so extrem sei die Situation noch nie gewesen. Patienten in Betten auf dem Klinikgang Mehrere Nürnberger Kliniken sowie das Klinikum Fürth wenden sich wegen einer ähnlich schwierigen Lage im Raum Nürnberg / Fürth / Erlangen heute Mittag an die Öffentlichkeit. Der Leiter des Klinikums Nürnberg, Alfred Estelmann sagte vorab, es sei nicht selten der Fall, dass Patienten, die man trotz Vollbelegung habe aufnehmen müssen, nicht mehr adäquat untergebracht werden könnten. Häufig müssten Zimmer überbelegt oder Patienten in Betten auf dem Klinikgang versorgt werden. Das sei höchst unbefriedigend und bedeute für die ohnehin völlig überlasteten Mitarbeiter eine zusätzliche Anstrengung. Warten, bis der Arzt kommt Passau Die Notaufnahme der Klinik in Passau ist in diesen Tagen extrem überlastet. Passaus stellvertretender Pflegedienstleiter Christian Maier sagte dem Bayerischen Rundfunk, dass auch die Betten auf dem Gang nicht mehr ausreichten und das Klinikum Passau zeitweise auch ankommende Sankas länger warten lassen müsse. Der Grund seien u.a. die ebenfalls überfüllten Krankenhäuser im Landkreis, die ihre Notaufnahmen zeitweise komplett gesperrt hätten. Eine weitere Eskalation erwartet sich der Pflegedienstleiter nach dem kommenden Faschingswochenende. "Dann gibt's regelmäßig weitere Notfälle". Für das Regensburger Uniklinikum und das Krankenhaus der Barmherzigen Brüder stellt Dr. Felix Rockmann von der Notaufnahme der Barmherzigen Brüder fest, dass die Situation seit rund zwei Wochen auch über den saisonalen Anstieg der Notfälle hinaus extrem angespannt sei. Viele Grippe-Patienten kämen. was die Situation noch erschwere, mit untypischen Symtomen wie Magenschmerzen, Brauchkrämpfen, Übelkeit oder Erbrechen. Eine Linderung versucht das Krankenhaus herbeizuführen, indem es Patienten, die einen Termin erbitten, abweist bzw. auf Wochen später vertröstet - auch wenn es um dringende Dinge, wie z. B. den Verdacht auf einen Tumor geht. "Die Akutfälle müssen einfach vorgehen", so Dr. Rockmann. Auch in der Notaufnahme in Weiden ist derzeit viel los. Es handelt sich allerdings um eine "normale jahreszeitliche Spitze", sagt die Sprecherin der Kliniken Nordoberpfalz AG Rita Stadler. Die Notaufnahme sei immer sehr gut frequentiert, derzeit gebe es eine leicht erhöhte Zahl an Influenza-Fällen, die zu dieser Jahreszeit aber normal sei. Insgesamt kommen dauerhaft viele Fälle in die Notaufnahme, die eigentlich von den Notfalldiensten der Hausärzte versorgt werden könnten, vor allem am Wochenende. Das ergebe das ganze Jahr über längere Wartezeiten in der Notaufnahme, so Stadler. Auch in Amberg herrscht "normaler Betrieb", bestätigt der Leiter der Notaufnahme Dr. Rainer Voss. Für infektiöse Patienten wie zum Beispiel mit Influenza sei eine eigene Station derzeit eingerichtet, wo die Neuankömmlige schnell aufgenommen werden können. Sonst aber läuft der Betrieb ganz normal. Akute Fälle trotz Überbelegung versorgt Grundsätzlich aber würden akute Fälle trotz Überbelegung versorgt - Krankenhäuser würden notfalls "zwangsbelegt". Das betonten die Vertreter der Kliniken und Rettungsdienste in München und Nürnberg. Kritik an Schwabinger Klinik Das Klinikum München, zu dem unter anderem die Krankenhäuser Schwabing und Harlaching zählen, erklärte, es handle sich jedoch um ein temporäres Phänomen. Grund sei die Grippewelle und der Pflegenotstand, man arbeite an einer Lösung. Dem kommunalen Unternehmen wird allerdings von einer Bürgerinitiative - dem Verein "Bürger für unser Münchner Stadtklinikum" vorgeworfen, im Zuge des angestrebten Sanierungskonzepts mittelfristig Betten und Personal abzubauen und die Notfallversorgung damit weiter zu schwächen. Der Geschäftsführer der Klinik-GmbH, Axel Fischer, wies das zurück. Die Stadt München wollte sich auf Anfrage nicht äußern und verwies auf die Klinikum-München-GmbH.
Grippewelle, Personalnotstand und zu wenig Geld
Nach Informationen des BR ist man bei der Stadt München und im Landkreis dennoch besorgt, angesichts der angespannten Lage in der Notfallmedizin: In einem internen Schreiben an alle Münchner Krankenhäuser, das dem Bayerischen Rundfunk vorliegt, moniert der Rettungszweckverband von Stadt und Landkreis die ständigen Abmeldungen der Kliniken bei der Rettungsleitstelle. Dringend bitte man darum, die Kapazitäten zu überprüfen und nach Lösungen zu suchen, heißt es. Im März soll nun offenbar ein Runder Tisch mit Vertretern von Kliniken und Stadt stattfinden. Grund für die derzeitige Situation in den Notaufnahmen sollen unter anderem die Grippewelle, der Personalnotstand und die zu geringe Vergütung in der Notfallmedizin sein. Deutschlandweit machen Kliniken laut Verband der Notaufnahmen mit ihren Notaufnahmen jährlich mehr als eine Milliarde Euro Verlust.
Badische Zeitung Freitag, 30. Januar 2015
Krankenhäuser dürfen weiter subventioniert werden
Städte und Kreise greifen ihren klammen Kliniken häufig finanziell unter die Arme. Die private Konkurrenz protestiert – ohne Erfolg: Die Zuschüsse für die Krankenhäuser sind rechtens.
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Kommunal betriebene Krankenhäuser können auch künftig subventioniert werden. Mit dieser Entscheidung hat das Oberlandesgericht Stuttgart am Donnerstag in einem Musterverfahren eine Klage des Bundesverbands Deutscher Privatkliniken (BDPK) gegen den Landkreis Calw abgewiesen.
Die bisherige Praxis, die bundesweit bei Hunderten Kliniken üblich ist, verstoße nicht gegen EU-Recht und das Wettbewerbsrecht, urteilte der zweite Zivilsenat in zweiter Instanz. Der Bundesverband Deutscher Privatkliniken hatte kritisiert, dass der Ausgleich von Defiziten durch Steuergelder ein Wettbewerbsnachteil sei. Der Landkreis Calw hatte 2012 Verluste der Kreiskliniken in Calw und in Nagold sowie Ausfallbürgschaften für Investitionen übernommen. Das Landgericht Tübingen hatte die Klage des Verbandes in erster Instanz abgewiesen.
BDPK-Geschäftsführer Thomas Bublitz zeigte sich vom aktuellen Urteil des Oberlandesgerichts enttäuscht. Voraussichtlich werde der Bundesgerichtshof angerufen. Aus Bublitz’ Sicht zeigt das Defizit der Kreiskliniken Calw und Nagold, dass die Bevölkerung kein Grundvertrauen in die Häuser habe. Deshalb würden sie nicht so oft aufgesucht wie andere Krankenhäuser und rote Zahlen schreiben.
Kommunale Kliniken seien ein Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge, begründete der für Wettbewerbsrecht zuständige zweite Zivilsenat des OLG sein Urteil. Der Interessenverband Kommunaler Krankenhäuser (IVKK) begrüßte die Entscheidung. Dessen Vorsitzender Bernhard Ziegler sagte, dass OLG habe eindeutig entschieden: Krankenhäuser seien eine Pflichtaufgabe für kommunale Träger. "Sie mit den Ordnungsprinzipien des EU-Binnenmarktes zu messen, wäre die eigentliche Verzerrung, weil die Entscheidungs- und Regelungskompetenz auf der Ebene der Ländergesetzgebung liegt und bleiben soll." Ziegler forderte den Verband auf, das Urteil zu akzeptieren oder die Streitfrage dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. "Denn nur dort kann geklärt werden, wie sich das grundgesetzlich garantierte Sozialstaatsgebot zum Gedanken des EU-Binnenmarktes verhält."
Der Hauptgeschäftsführer des Landkreistags Baden-Württemberg, Eberhard Trumpp, erklärte, während private Krankenhausträger ihre Häuser schließen könnten, wenn es sich für sie nicht mehr rechne, seien die Landkreise auch in finanziell schwierigen Zeiten zum Krankenhausbetrieb gesetzlich verpflichtet.
Der Calwer Landrat Helmut Riegger warf den privaten Gesundheitskonzernen "Rosinenpickerei" vor. Diese würden sich auf finanziell lukrative Behandlungsfelder beschränken. Der Kreis Calw biete mit seinen Krankenhäusern dagegen eine wohnortnahe Rund-um-die-Uhr-Versorgung an 365 Tagen im Jahr an.
Missstände bei der Notaufnahme
Zunächst einmal vielen Dank, dass Sie dieses Thema aufgreifen, denn genau das ist es, was uns im Rettungsdienst derzeit eben genau so täglich widerfährt.
Ich arbeite als hauptberuflicher Rettungsassistent bei einer Hilfsorganisation in München. Die Kliniken sind völlig überlaufen und gerade internistisch ist es, besonders am späteren Tage, regelmäßig ein ernsthaftes Problem irgendwo unter zu kommen. Ebenso verhält es sich definitiv regelmäßig mit den Intensivkapazitäten, auch wenn die Verantwortlichen des Rettungszweckverband München hier gerne etwas anderes behaupten möchten. Es ist mir selbst in den vergangenen Wochen mehrmals passiert, das wir mit akut gefährdeten Patienten teilweise buchstäblich ans jeweils andere Ende der Stadt fuhren, da die anderen Kliniken, die teilweise deutlich näher gelegen waren eben wieder einmal abgemeldet waren. Dies resultiert sicherlich zu einem großen Teil auf der im Artikel geschilderten Situation des Personalmangels. Ich möchte Sie bitten, von diesem heiklen Thema nicht abzulassen. Es darf und kann nicht sein, dass die Situation weiterhin schön geredet wird. Die Umverteilung auf Kliniken im Umland funktioniert in der Realität nicht. Erstens stoßen diese dann in kürzester Zeit an ihre Grenzen und zweitens ist es oftmals nicht ohne weiteres möglich, da die Kliniken in der Region teilweise gar nicht über die notwendigen Versorgungsmöglichkeiten oder Fachabteilungen verfügen. Mal abgesehen davon darf man auch nicht außer Acht lassen, dass natürlich in der Zeit, in der ein Rettungswagen mit dem Transport in umliegende Kliniken oder auch mit der Verlegung von Patienten aus München in umliegende Kliniken gebunden ist, nicht in seinem originären Zuständigkeitsbereich bzw. Wachgebiet zur Verfügung steht. Stetig wachsende Einsatzzahlen in der Notfallrettung oder auch die Zunahme der Krankentransporte, die aufgrund ärztlicher Einweisung erfolgen, wären hier zu bedenken. Die momentane Situation zeigt eine eher sprunghafte Verschlechterung der Kapazitäten, und wenn man hier die Diskussionen und Sanierungspläne für die städtischen Kliniken der vergangenen Zeit im Hinterkopf behält, so muss man sich doch ernsthaft fragen, ob wir uns hier nicht langsam, aber äußerst zielgerichtet auf einen Super-Gau zubewegen.
Alexander Illenseer Rettungsassistent, München
ENGPÄSSE WEGEN PERSONALMANGELS
Notaufnahmen in Not
München - In Münchens Kliniken fehlt Personal. Kliniken schließen Stationen, in Notaufnahmen stauen sich Patienten, Sanka fahren Kranke in Nachbarlandkreise. Offiziell sieht keiner die Versorgung gefährdet. Doch langsam wird die Politik hellhörig.
Ein Freitag im November, Klinikum Harlaching. Hans Simmer (Name geändert) hat seinen Schwiegervater in die Notaufnahme gebracht, der hat Bauchspeicheldrüsenkrebs, es geht ihm nicht gut. Was Simmer dort sieht, macht ihm Angst: Im Gang stehen acht Betten mit Kranken. Die Aufnahmezimmer, so erfährt er, sind voll. Draußen auf dem Parkplatz drängeln sich Rettungswagen. Drinnen hetzt eine Schwester von einem Patienten zum anderen, eine Angehörige ruft: „Wenn nicht gleich ein Arzt vorbei kommt, dann...!“ Auch Simmers Schwiegervater bekommt nur einen Platz auf dem Gang, er muss sich ausziehen, bis auf die Unterhose, und in ein OP-Hemd schlüpfen. Vor allen Leuten. Irgendwann, nach zwei Stunden, wird der Senior doch in ein Zimmer gebracht. „Wahrscheinlich, weil ich dabei war“, sagt Simmer.
Solche Szenen kommen nicht nur in der Harlachinger Notaufnahme vor, sondern in allen großen Münchner Kliniken. Ein Grund: Personalmangel. Der ist so dramatisch, dass Stationen in akuten Situationen ganz oder teilweise geschlossen werden – oder sogar komplett dicht gemacht werden. Und in den Notaufnahmen stauen sich die Patienten, weil sie nicht aufs Haus verteilt werden können. Darunter leiden die Kranken – und das Personal, das noch da ist.
Dienstag und Mittwoch voriger Woche waren zeitweise fast alle Notaufnahmen voll belegt. „Der Rettungsdienst musste“, so berichtet ein Arzt, „auch die Kliniken der umliegenden Landkreise anfahren, weil die Münchner Kapazitäten erschöpft waren.“ Ein Beispiel: Rettungsfahrzeuge mit Notfallpatienten mussten aus Perlach nach Freising ins Kreiskrankenhaus geschickt werden. Kranke aus Aying in den Dritten Orden nach Nymphenburg. Am Dienstagabend ist nur noch eine einzige von 50 Münchner Kliniken aufnahmebereit: das Pasinger Krankenhaus. Am Mittwochabend war zeitweise kein einziges Intensivbett in München frei. Das alles ist sogar öffentlich im Internet einsehbar: das Computersystem Ivena bildet die Kapazitäten der Häuser in Echtzeit ab.
„Die Lage ist sehr kritisch“, sagt ein Mitarbeiter der Leitstelle der Berufsfeuerwehr München. Von hier aus wird über Ivena die Verteilung der Patienten auf die Krankenhäuser in München organisiert. Seinen Namen will er nicht nennen – das Thema ist heikel. Offiziell sieht man kein großes Problem: „Das ist nur eine Momentaufnahme“, sagt Roland Dollmeier, Geschäftsleiter vom Rettungszweckverband München.
Doch Engpässe gibt es schon länger: Anfragen unserer Zeitung für einen achtwöchigen Zeitraum von Oktober bis Ende November ergaben, dass es an allen Kliniken massiven Personalmangel gibt. Im Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität fehlen Pflegekräfte vor allem in der Anästhesie- und Intensivpflege sowie in der Kinderkrankenpflege. 16 Betten mussten zum Zeitpunkt der Anfrage in der Kinderkrankenpflege geschlossen werden. In der Frauenklinik in der Maistraße wurde die Intensivstation dicht gemacht, das Personal überwiegend nach Großhadern abgezogen. Im Klinikum rechts der Isar sind in diesem Zeitraum 30 Betten nicht belegbar. Die internistische Notaufnahme musste fast täglich stundenweise wegen Überbelegung geschlossen werden. Auch die Schwabinger Notaufnahme, die größte der Stadt, war an manchen Tagen abgemeldet. Abmeldung – das heißt, dass die Klinik im Ivena-System Bescheid gibt, keine Patienten mehr aufnehmen zu können. Dann schickt die Leitstelle in der Regel keinen Sanka.
Ein Sprecher des Städtischen Klinikums bezeichnet diese Abmeldung als einen „normalen Vorgang“. Was den eingeschränkten Betrieb angeht, bleibt er vage: „Es kommt immer wieder temporär vor, dass wir Betten oder Stationen schließen müssen“, teilt er mit. Das betreffe insbesondere Intensivbetten. Doch die Gründe hierfür seien vielfältig und nicht allein in einem Personalmangel zu sehen. „Sie können auch bauliche Maßnahmen, Infektionen, geplante Zusammenlegung von Stationen, ein gesunkener Bedarf oder ein insgesamt bestehendes Versorgungsüberangebot in München sein.“ Doch Klinikangestellte wittern einen anderen Grund: den Sparkurs.
Das Städtische Klinikum ist der größte Notfallversorger in München. Mehrere Ärzte, die dort arbeiten, aus Angst um ihren Job aber anonym bleiben wollen, berichten von chaotischen Zuständen in den Notaufnahmen. In der Hektik passieren Fehler: Patienten werden verwechselt, der falsche zum Röntgen geschickt. Das kann manchmal nur Zeit kosten, aber auch lebensbedrohlich sein. Oft wäre es wichtig, dass ein Arzt ein gründliches Gespräch mit dem Patienten führt. Nur wenn er die Vorgeschichte kennt, kann er richtig behandeln. Selten ist dafür Zeit. Manchmal kommt es zu menschenunwürdigen Szenen. Als kürzlich eine Klinik wieder einmal heillos überfüllt war, lag eine Seniorin im Sterben. „Erst konnten wir sie in ein Einzelzimmer schieben“, erzählt ein Mediziner. Doch dann kamen weitere Patienten – schließlich musste die Frau doch wieder in ein Dreibettzimmer. Dort starb sie.
Kommt ein Patient mit einer ansteckenden Krankheit wie dem Norovirus oder einem hohen Risiko, antibiotika-resistente MRSA in sich zu tragen, bedeutet das Mehrarbeit für Pfleger und Ärzte – doch auch dafür sei meistens keine Zeit. „Jeder ist froh, wenn der Patient weg ist“, sagt ein Arzt. „Das sind arme Geschöpfe.“ Weg – das heißt im Isolationszimmer. Das darf nur mit Schutzkleidung betreten werden. „Aber wenn ich alleine auf Station bin, kostet es mich zu viel Zeit, sie immer anzuziehen“, sagt eine Krankenschwester. Sie gibt zu: „Wenn es nicht unbedingt sein muss, gehe ich nicht ins Zimmer.“ Was ist, wenn der Patient etwas braucht? „Ich kann nur hoffen, dass er nichts braucht.“ Oft müssen solche Patienten tagelang in der Notaufnahme ausharren – wenn auf den anderen Stationen der Platz fehlt, um ihn in einem separaten Zimmer abzuschotten.
Weil die Schwestern ständig unter Zeitdruck stehen, organisieren sie die Pflege der Patienten so einfach wie möglich: Senioren bekommen Windeln verpasst – so müssen sie nicht zur Toilette gebracht werden. Essen und Trinken wird nur angeboten, wenn es unbedingt nötig ist. „Das macht einen fertig“, sagt eine erfahrene Krankenschwester. Zu wissen, dass Menschen Hilfe brauchen, die man ihnen nicht geben kann.
Auch in der Notarztversorgung brennt es, Dokumente belegen das. Die Kassenärztliche Vereinigung Bayern verschickte Ende Oktober eine interne E-Mail mit dem Betreff „Dringend heute Springer für den Notarztwagen gesucht!“ An manchen Tagen wird kein Springer gefunden, dann bleibt der Notarztwagen komplett in der Garage. Wie oft das vorkommt, teilt die Vereinigung nicht mit. Dollmeier vom Rettungszweckverband warnt vor Panikmache: „Wir haben in München elf Notärzte. Wenn einer mal ausfällt, ist die Versorgung trotzdem sichergestellt.“
Der Personalmangel beutelt auch das Harlachinger Klinikum. Zwei chirurgische und eine internistische Station sind seit Monaten geschlossen. Die Kinderintensivstation ist wegen Pflegermangel zu. Und manche Ärzte haben den Verdacht, dass Stationen zugemacht werden, damit die Auslastung im ganzen Klinikum höher ist.
Harlaching ist nach Informationen unserer Zeitung auch an normalen Wochentagen bis zu 96 Prozent ausgelastet, manche Stationen sogar zu 100 Prozent. Ein Sprecher will das nicht kommentieren, er verweist auf Wettbewerb. Fest steht: Eine hohe Auslastung ist aus betriebswirtschaftlicher Sicht lukrativ. Doch 2014 wurde eine beunruhigende Studie veröffentlicht. Kernaussage: Je höher die Bettenauslastung, desto höher die Sterblichkeitsrate.
Die Wissenschaftler untersuchten Daten von über 80 000 Klinik-Patienten. 14 321 dieser Patienten lagen an Tagen im Krankenhaus, an denen die Bettenauslastung 92,5 Prozent überschritt – 541 von ihnen starben. 14,4 Prozent der Todesfälle wären bei einer geringeren Auslastung vermeidbar gewesen. Doch über der kritischen 92,5-Prozent-Grenze liegt in Harlaching an einem Beispieltag im November mehr als jede zweite Station. Am Tag darauf auch. „Und das waren ganz normale Tage“, sagt ein Mitarbeiter. Keine Grippewelle, kein böser Virus, keine Großveranstaltung – keine Massenkarambolage auf der Autobahn. Je voller das Krankenhaus, desto höher ist die Arbeitsbelastung für das Pflegepersonal in den noch offenen Stationen. Eine Schwester sagt: „Das wird immer schlimmer.“ Wenn sie Nachtschicht hat, ist sie für 26 Patienten zuständig, viele davon sind frisch operiert.
Noch dramatischer ist es, wenn eine Krankheitswelle auch Pfleger und Ärzte erwischt. Dann müssen ganze Stationen geschlossen werden, die Patientenversorgung kommt zum Erliegen. Wenn es besonders brenzlig ist, würden die Ärzte der Städtischen Kliniken ihre Notaufnahmen gerne noch öfter von der Rettungsleitstelle abmelden. Aber: „Aus wirtschaftlichen Gründen wird Druck auf uns ausgeübt, dass wir das nicht zu oft tun“, klagt ein Mediziner. Das weist ein Kliniksprecher aber zurück.
Selbst wenn die Ärzte Alarm schlagen und sich beim Ivena-System abmelden, kommen Sanka und Hubschrauber trotzdem mit neuen Patienten. Weil auch die anderen Kliniken voll sind. „Zwangsbelegungen“ nennen Ärzte das. Dollmeier vom Rettungszweckverband erklärt, dass die Abmeldung von Ivena lediglich als Orientierung für die Leitstelle dient. „Wenn ein akutgefährdeter Patient eingeliefert wird, erfolgt vorher eine telefonische Absprache – er wird auf alle Fälle behandelt.“ Eine volle Belegung der Notaufnahme bedeute zum Beispiel noch lange nicht, dass auch das Herzkatheterlabor ausgelastet sei. Und ein Sprecher des Städtischen Klinikums sagt, die Anzahl der temporären Abmeldungen sei übers Jahr gesehen so gering, dass damit „in keiner Weise die Versorgung der Notfallpatienten beeinträchtigt“ sei.
Doch auch Dollmeier gibt zu, dass es bereits Gespräche über „vereinzelte Engpässe“ in der Notfallversorgung gegeben habe. Das bayerische Innenministerium, zuständig für Rettungswesen, ist im Bilde. Gerade aus Schwabing und Harlaching würden immer wieder Probleme gemeldet. Offiziell will man nichts sagen, das sei Sache der Stadt München. Dollmeier will demnächst ans bayerische Gesundheitsministerium schreiben und ein Gespräch mit allen Beteiligten anregen. Auf Anfrage unserer Zeitung verweist die Behörde auf die Eigenverantwortlichkeit der Kliniken. Bislang gebe es keine Berichte über mögliche Mängel bei der Krankenhausversorgung. Man werde den Hinweisen aber nachgehen. Vielleicht bringt ein Antrag der CSU im zuständigen Bezirksausschuss etwas ins Rollen. Gefordert wird, das Problem anzugehen – das Gremium stimmte am Dienstag zu.
Eine schnelle Lösung gibt es wohl nicht – woher soll zusätzliches Personal kommen? Die Städtischen Kliniken, wo 2500 Pflegekräfte arbeiten, haben derzeit 70 Stellen ausgeschrieben. Auch am Klinikum rechts der Isar wird es nach Auskunft einer Sprecherin zunehmend schwieriger, Stellen nachzubesetzen oder neue Stellen zu besetzen. Die von der Bundesagentur für Arbeit regelmäßig erstellte Engpassanalyse ergebe für Bayern eine durchschnittliche Vakanzzeit von 96 Tagen – von der Meldung einer freien Stelle bis zur Besetzung.
Bleibt der Druck auf Ärzte und Schwestern: „Wir kämpfen jeden Tag“, sagt ein Mitarbeiter. „Wir sind an unseren nervlichen und körperlichen Belastungsgrenzen angekommen.“ Er hoffe, dass der Winter mild und schneearm bleibt – und die Influenza nicht auch noch um sich greift.
Carina Lechner
Engpässe in Münchner Kliniken
Notaufnahmen in Not
Von Stephan Handel
· Weil im Winter mehr Leute krank werden, kommt es in Krankenhäusern immer wieder zu Engpässen in Notaufnahmen.
· In München reichte das Problem kürzlich so weit, dass an einem Tag fast alle Kliniken die Aufnahme weiterer Notfall-Patienten abgelehnt haben.
· Die Initiative "Bürger für unser Münchner Stadtklinikum" sieht als Grund verschiedene Entscheidungen der Stadt - Experten jedoch halten die Ursachen für deutlich komplexer.
Engpässe in Münchner Kliniken
Im Winter werden mehr Leute krank - und damit auch die Krankenhäuser stärker in Anspruch genommen, vor allem die Notaufnahmen und die Intensivstationen. Bei den Münchner Kliniken ist es dabei in den letzten Wochen offenbar auch zu Engpässen gekommen.
Die Initiative "Bürger für unser Münchner Stadtklinikum" (BuMS) sieht einen Grund dafür in der Sanierung der Städtisches Klinikum GmbH (StKM), dem dabei geplanten Kapazitätsabbau und der daraus folgenden Personalflucht. Experten jedoch halten die Gründe für deutlich komplexer.
Wie Notfall-Patienten verteilt werden
Seit zwei Jahren werden die Münchner Notfall-Patienten über das Computer-System Ivena auf die Krankenhäuser im Stadtgebiet verteilt; Ivena steht für "Interdisziplinärer Versorgungs-Nachweis". Geht ein Notruf in der Rettungsleitstelle ein, kann das Personal dort sofort sehen, welche Klinik für den jeweiligen Fall Kapazitäten frei hat. Die Kliniken können sich aber auch selbst von Ivena abmelden, wenn sie keine neuen Patienten mehr versorgen können oder wollen.
Eine dramatisch klingende Konstellation hat BuMS dabei am12. Januar festgestellt: Gegen 17 Uhr hatten fast alle Münchner Kliniken gleichzeitig gemeldet, dass sie keine internistischen Notfall-Patienten mehr aufnehmen, nur das Klinikum Pasing hatte sich nicht abgemeldet.
Was BuMS nun fordert
Aus Sicht von BuMS wirft das Frage auf, warum in einer Stadt wie München keine ausreichenden Versorgungskapazitäten zur Verfügung stehen und ob es dann noch vertretbar sei, in Schwabing und in Harlaching weitere Betten abzubauen - diese beiden Kliniken sollen bei der Sanierung der StKM zugunsten von Bogenhausen und Neuperlach verkleinert werden.
"Es geht um alles oder nichts", sagen einige Stadträte: Eine Unternehmensberatung und private Medizin-Experten sollen die überfällige Sanierung der städtischen Kliniken überwachen - damit nicht wieder alles schief geht.
Die Vorsitzende von BuMS, Ingrid Seyfarth-Metzger, sieht zudem ein Problem beim StKM-Personal: Stellen seien abgebaut worden. Und den noch Verbliebenen werde das Leben so schwer gemacht, dass viele kündigten und versuchten, bei anderen Arbeitgebern unterzukommen, was angesichts des Pflegekräftemangels meist kein Problem sei. So gäbe es zwar Intensiv- und Notfall-Kapazität am StKM - die könnte jedoch nicht ausgelastet werden, weil nicht genügend Personal vorhanden ist.
Weitere Gründe für die Engpässe
Diese Problem-Analyse will Stephan Prückner nicht grundsätzlich verneinen, hält sie jedoch nicht für den einzig Schuldigen am derzeitigen gelegentlichen Engpass. Prückner ist geschäftsführender Direktor des Instituts für Notfallmedizin und Medizinmanagement der LMU und als solcher mit der Situation des Rettungsdienstes in ganz Bayern vertraut.
"Wir wissen nicht, warum sie die Kliniken von Ivena abmelden", sagt Prückner: Ist wirklich jedes Bett mit einem Patienten belegt? Wären vielleicht noch Betten frei, aber es fehlen Ärzte und Pfleger für die Betreuung? Und was ist der Grund dafür? Krankheits- oder Urlaubswellen? Gewollte Unterbesetzung aus Spargründen? Oder erzwungene wegen des Pflegekräftemangels? Die Kliniken wollen diese Gründe nicht öffentlich machen, weil sie ja untereinander in Konkurrenz stehen und damit Rückschlüsse auf ihre Geschäftspolitik ermöglichen würden.
Auf jeden Fall ist das Problem keines, das nur München betrifft, Stephan Prückner sagt, in Würzburg oder in Nürnberg sei die Situation gerade ähnlich. Hinzu kommt, dass die Notaufnahmen mehr und mehr auch von ambulanten Patienten genutzt werden, weil viele keinen Hausarzt mehr haben und deshalb mit jedem Husten gleich ins Krankenhaus gehen - ein Umstand, der die Notaufnahmen zusätzlich belastet, ohne dass diese Zahlen bislang in die Bedarfsplanung eingeflossen wären. Für Prückner gibt es deshalb hauptsächlich eine Forderung und einen Appell an die Kliniken: "Die Kliniken müssen diese Statistiken offenlegen."
Verein warnt
Engpässe in Notaufnahmen der Münchner Kliniken!
München - Die Notaufnahmen der Münchner Kliniken sind seit Wochen überlastet! Das behauptet zumindest der Verein "Bürger für unser Stadtklinikum" und warnt vor negativen Auswirkungen auf die Patienten.
Pflege-Notstand in Schwabing? Der Klinikverein schlägt Alarm!
Der Verein „Bürger für unser Stadtklinikum“ warnt: Seit Wochen soll es Engpässe bei der Versorgung von Notfallpatienten in München geben! Am 12. Januar etwa hätten sich alle Notaufnahmen und Intensivstationen der Kliniken bei der Leitstelle abgemeldet – kein Platz für internistische Patienten. „Patienten mit Herzinfarkt und Schlaganfall werden dann entweder trotzdem in eine der Kliniken eingewiesen oder ins Umland gefahren“, sagt die Vereinvorsitzende und frühere Schwabinger Ärztin, Dr. Ingrid Seyfarth-Metzger. „Beides ist nicht gut für Patienten!“
Das Städtische Klinikum weist die Dramatik zurück: „Als größter Notfallversorger Münchens sind Abmeldungen ein normaler Vorgang.“ Über das Jahr gesehen seien diese so gering, dass die Notfallversorgung nicht gefährdet sei.
Stadt lehnt Gehaltsplus für Pfleger ab
Der Verein wehrt sich gegen die Verkleinerung der Standorte Schwabing und Harlaching (tz berichtete). Dort will die Stadt – und eine große Stadtratsmehrheit – Stellen und Betten abbauen, um die Sanierung der Städtischen Kliniken zu schaffen. Die Bürgerinitiative weist darauf hin, dass der Personalmangel in der Pflege schon heute zu diesen Engpässen und langen Wartezeiten führe.
Ein Gehaltsplus für die Pfleger wie zuvor die 200 Euro im Monat für die Erzieher lehnt die Stadt aber ab: Die Kliniken können sich die 6,8 Millionen Euro zusätzlich nicht leisten. Die Münchenstift-Altenheime müsste die Pflegesätze anheben. Die Kämmerei sieht einen rechtlichen Haken: Die Stadt müsste ihre Gesellschaften bezuschussen – eine Beihilfe könnte die EU-Kommission verbieten. Die Grünen wollen das Thema vertagen, um den Zuschuss zu prüfen. Verdi will lieber den Tarif erhöhen.
dac
Quelle: tz
Klinik-Katastrophe
"Besser als in Simbabwe"
Notaufnahmen komplett belegt: „Initiative Klinikum Harlaching“ schildert schockierende Zustände in den Krankenhäusern – Engpässe bei der Versorgung an der Tagesordnung.
Die „Initiative Klinikum Harlaching“ schlägt Alarm: „Jetzt ist es soweit! Die Notaufnahmen Münchens sind voll belegt und die Notfallbetten ausgelastet!“ Schockierende Zustände, auf die Ivena München, ein interdisziplinärer Versorgungsnachweis vom Rettungszweckverband München, hinweist. Ist alles voll, „wird zwangsbelegt“, sagt Rettungszweckverband-Geschäftsführer Roland Dollmeier – und das komme häufig vor: Notfall-Patienten müssten angenommen und im schlimmsten Fall auf den Gängen stationär untergebracht werden. Das bestätigt auch Notarzt Dr. Ulrich Heindl. Mittlerweile sei es normal, dass es in München nicht ausreichend Notfallbetten gibt: „Die Kliniken kennen diesen unzumutbaren Zustand seit Jahren, und es wird immer schlimmer“, so Heindl. Aber wenn die Kliniken bei Notfällen komplett ausgelastet sind, kann dann noch adäquat behandelt werden? „Man versorgt halt einen Patienten nach dem anderen“, so Mediziner Heindl. „Es ist auf jeden Fall besser als in Simbabwe.“ Paradox: In den Krankenhäusern werden Betten abgebaut (siehe Interview unten). Dabei müssten immer mehr Menschen in den Kliniken versorgt werden, so Heindl. Sind die Krankenhäuser maximal belegt, „müssen die Patienten mit ihren Betten eben auf die Gänge ausweichen, haben keinen Service – die Patientensicherheit ist gefährdet.“ Spätestens mittags seien die Notaufnahmen in der Regel voll. Und das, obwohl keine extremen Winter- und Glätteverhältnisse herrschen. Ein weiteres Mitglied der Initiative sagt: „Wir wollen doch eine Weltstadt mit Herz sein und nicht eine mit Schmerz.“ Die Initiative übt sich in Galgenhumor und weist darauf hin, dass die Münchner auf Kliniken im Umland ausweichen können. Aber: „Das ist in der Praxis gar nicht möglich, schließlich stehen auch dort immer weniger Betten zur Verfügung.“ Einen Überblick über die Belegung der Münchner Kliniken gibt Ivena München aus naheliegenden Gründen: Die Krankenhäuser geben hier ihr Patientenaufkommen täglich aktuell weiter, sodass die Leitstelle der Rettungskräfte über die Belegung informiert ist und gegebenenfalls einliefern oder auch zwangsbelegen kann.
Ines Weinzierl
"Sanierung gefährdet die Notfallversorgung" - Interview mit Reinhold Barbor.
Die „Initiative Klinikum Harlaching“ kämpft gegen den Abbau der Betten. „Ab 2017 sollen in Harlaching die bisher 760 Betten auf 550 reduziert werden“, sagt Initiative-Vorsitzender Reinhold Babor. Was die Folgen sind, erklärt er hier.
Herr Babor, wenn die Notaufnahmen Münchens komplett belegt sind: Was hat das für Folgen?
Wenn die Notfallbetten belegt sind, sind sie belegt. Dann werden die Kliniken zwangsbeliefert und es kann dazu kommen, dass Patienten beispielsweise auf dem Gang in einem Bett geparkt werden. Es kann nicht sein, dass die Leitstelle trotz angeblich zu vieler Krankenhausbetten täglich mehrfach zu Zwangsbelegungen gezwungen wird.
Was sind die Gründe für die komplette Belegung?
Personal- und Bettenabbau sowie Einsparungen.
Warum werden Betten abgebaut, wenn die Nachfrage da ist?
Das Problem ist, dass die Kliniken auf die Münchner ausgelegt sind. Kommen jetzt aber auch Patienten aus dem Umland dazu, wird es eng.
Wie kann das verbessert werden?
Die fünf städtischen Kliniken haben eine Geschäftsführung, daraus resultiert die geringe Eigenverantwortung der Kliniken. Wenn es beispielsweise um Personalentscheidungen geht, stehen lange Dienstwege an, deshalb kann nur sehr langsam agiert werden.
Könnte es passieren, dass im Intensivbereich oder in der Notfallversorgung Betten abgebaut werden?
Das wäre eine Katastrophe. Das darf nicht passieren und bis jetzt ist auch nichts geplant. Die Angst ist aber, dass durch die Sanierung die Notfallversorgung gefährdet ist.
Ines Weinzierl
Neuer Verein kämpft für Erhalt von Kliniken
München - Gestern beschloss der Stadtrat einstimmig den Neubau der Mutter- und Kinderklinik in Schwabing. Der Rest der bislang 900 Betten fällt der Sanierung der Städtischen Kliniken zum Opfer. Das soll verhindert werden.
Es wird ernst in Schwabing: Gestern beschloss der Stadtrat einstimmig den Neubau der Mutter- und Kinderklinik mit 199 Betten für 48 Millionen Euro. Dazu soll eine Notfallstation mit 95 Betten kommen. Der Rest der bislang 900 Betten fällt der Sanierung der Städtischen Kliniken zum Opfer! Ähnlich wird es in Harlaching kommen (tz berichtete). Aber das wollen Nachbarn und Anhänger der beiden Kliniken nicht hinnehmen: Sie gründen eine gemeinsame Initiative, um beide Standorte zu erhalten!
Die „Freunde des Klinikums Schwabing“ und die „Initiative Harlaching“ tun sich zusammen: „So ist die Versorgung der Münchner nicht mehr gewährleistet“, warnt das Gründungsmitglied Dr. Ingrid Seyfarth-Metzger (67), die als Anästhesistin in Schwabing arbeitete und die Notaufnahme in- und auswendig kennt. Der neue Verein kritisiert das Sanierungskonzept der Boston Consulting Group, das der Stadtrat nur mit kleinen Änderungen absegnete, als „fachlich inkompetent, in vielen Annahmen falsch und damit für die Stadt verheerend.“ Ähnlich hatte sich auch die Ärzte-Gewerkschaft Marburger Bund geäußert.
„Der Münchner Norden wächst wegen des Umbaus der Kasernen, aber es gibt nicht viele Kliniken“, sagt Dr. Seyfarth-Metzger. In Wahrheit seien die Kliniken kaputtgespart worden, Millionen würden für Unternehmensberatungen und Abfindungen verbrannt. Auch andere Städte könnten Kliniken wirtschaftlich führen.
David Costanzo
Gestern war ich im Gasteig in einem hochinteressanten Konzert; der Konzertsaal war – wie meistens – bei weitem nicht voll besetzt. Ich bin sehr gerne im Gasteig: ich würde mich als durchschnittlich musikalisch bezeichnen und finde die Akustik wunderbar, ich habe körperliche Behinderungen und sitze dort trotzdem sehr bequem. Wofür brauchen wir eigentlich einen neuen Konzertsaal?
Ich fuhr mit öffentlichen Nahverkehrsmitteln zum Konzert ... klar, auch das könnte besser sein, auch ich habe schon in der Kälte lange auf die S-Bahn gewartet und habe Termine versäumt; aber auf welchem Niveau klagen wir da? Und wieviele Milliarden soll die neue Stammstrecke kosten?
In der S-Bahn las ich: München kann sich keine Kinderklinik leisten, das geht nur mit einer 16 Millionen-Spende eines Sultans. In Harlaching wurde in einer 13stündigen Operation eine Hand wieder angenäht – wäre die Klinik weiter entfernt gewesen, hätte die Hand nicht gerettet werden können; ähnliches trifft selbstverständlich ebenfalls auf akut lebensbedrohlich Erkrankte zu. Und natürlich stand auch wieder etwas über menschenunwürdige Lebensbedingungen für Asylbewerber in der Zeitung; nein es geht nicht um Komfort, und für den Hungerstreik habe ich nur wenig Verständnis, weil es zunächst entscheidend ist, dass diese Menschen in Sicherheit sind; trotzdem ist es natürlich unsere Aufgabe, in adaequater Weise akut zu helfen und dann für eine möglichst gute Integration zu sorgen. Es fehlte mir eigentlich nur noch das Thema Bildung, für die wir auch nicht genügend Geld haben.
Wir leben in einer der reichsten Gegenden der Welt und können uns keine 16 Millionen € für die medizinische Versorgung unserer Kinder leisten? Es sollen 800 Klinikbetten der Grundversorgung in München abgebaut werden, und es soll keine umfassende standortnahe medizinische Versorgung in Harlaching und Schwabing mehr geben? In Berlin werden 1400 Betten neu geschaffen!
Neue Konzertsäle, Stadien und Stammstrecken sind eine feine Sache; die öffentliche Hand, also auch die Stadt München, muss sich aber zunächst um die Daseinsfürsorge und v.a. um die Bedürfnisse der hilfebedürftigen Bürger/innen, also unserer Kinder, der alten und der verfolgten Menschen kümmern. Dies ist elementare Aufgabe der Stadt München; dass der Bau der Kinderklinik nur mit einer Spende aus dem Ausland möglich ist, und dass Sparmaßnahmen die medizinische Grundversorgung gefährden, ist ein Armutszeugnis!
Natürlich müssen auch in diesen Bereichen Kosten gespart, oder besser das Geld vernünftig investiert werden. Neben einer sachkundigen überparteilichen Planung muss dabei der persönlichen Bereicherung privater Gutachter, Investoren, Vermieter menschenunwürdiger Unterkünfte, sinnlosen Verwaltungskosten und dem Machtgehabe sowie der Unfähigkeit einzelner Politiker ein Riegel vorgeschoben werden. Z.B. im Gesundheitswesen gibt es die „Bayerische Krankenhausgesellschaft e.V.“, ein höchst kompetenter gemeinnütziger Verein, dem alle Kliniken angehören, und der auch das Städtische Klinikum München kostenneutral beraten würde, wenn man ihn nur fragen würde - bevor man Unsummen in Gutachten investiert, die entweder wieder verworfen werden, oder deren Kompetenz von fachkundiger Seite angezweifelt wird.
Übrigens, das Konzert begann mit dem Satz: „Wenn die Rentabilität wichtig ist, kann die Humanität nicht bestehen.“ Vernünftige Investionen für Gesundheit, Bildung und Asylsuchende sind kurzfristig teuer, langfristig aber für eine friedliche, prosperierende und humane Gesellschaft.
U.Drexel
SZ-Artikel vom 8. Oktober 2014
Städtische Krankenhäuser
Erneut werfen zwei Klinik-Chefs hin Von Dominik Hutter
Kurz und schmerzlos soll es ablaufen: Zum Ende des Jahres verlassen zwei Geschäftsführer die städtischen Krankenhäuser. Die Aufhebungsverträge sind schon unterschrieben. Doch die Abschiede in der Chefetage kommen zu einem ungünstigen Zeitpunkt.
Die beiden Herren verstehen sich prächtig, manchmal gehen sie nach getaner Arbeit noch zusammen auf ein Bier in ein nahes Lokal. Nun hören Freddy Bergmann und Hans-Jürgen Hennes auch gemeinsam auf beim Städtischen Klinikum. Die Aufhebungsverträge sind bereits unterschrieben, am 31. Dezember ist Schluss. Das Ganze soll kurz und schmerzlos ablaufen - beide Verträge hätten ohnehin verlängert werden müssen, Abfindungen werden deshalb nicht fällig.
Der Aufsichtsrat muss noch zustimmen, was allerdings als Formsache gilt. Danach beginnt die Suche nach qualifizierten Klinik-Geschäftsführern, wieder einmal: Erst im Dezember 2013 hatte Vorstandschefin Elizabeth Harrison hingeworfen, die Zahl der in den vergangenen Jahren zurückgetretenen oder geschassten Geschäftsführer ist beachtlich. Bergmann und Hennes sind seit2012 im Amt.
Die Trennung erfolge in gegenseitigem Einvernehmen, versicherte Bergmann am Mittwoch. Allerdings ist es ein offenes Geheimnis, dass es an der Klinikspitze seit Langem erhebliche Querelen gibt - erst mit Harrison, dann mit ihrem Nachfolger Axel Fischer, der für die anstehende Sanierung verantwortlich und längst die klare Nummer eins im Unternehmen ist. Anders als Harrison verfügt Fischer über ein doppeltes Stimmrecht im Vorstand und damit über mehr Macht, was allerdings nach SZ-Informationen bislang noch keine Rolle gespielt hat.
Über die Nachfolge der beiden berät der Aufsichtsrat in seiner Sitzung am 24. Oktober. Bergmann ist kaufmännischer, Hennes medizinischer Geschäftsführer - ob beide Posten neu besetzt werden, ist offen. Denkbar ist auch, Kompetenzen umzuverteilen und dabei den Vorstand zu verkleinern. Theoretisch wäre Oberchef Fischer für beide Aufgaben geeignet: Er hat bei der Unternehmensberatung Boston Consulting gearbeitet und ist obendrein Arzt. Dass beide Positionen nicht mehr nachbesetzt werden, gilt allerdings wegen der Aufgabenfülle als unwahrscheinlich. Lydia Dietrich, die für die Grünen im Aufsichtsrat sitzt, plädiert für eine Nachbesetzung beider Stellen. Es sei sinnvoll, während des heiklen Sanierungsprozesses die Arbeit auf mehrere Schultern zu verteilen.
Die Abschiede in der Chefetage fallen in eine schwierige Phase: Denn in den kommenden Monaten müssen die Details der anstehenden Neustrukturierung und Verkleinerung des Klinikums geklärt werden. Das bislang vorliegende Papier von Boston Consulting ist eher ein Gerüst, dort werden die Grundlinien beschrieben. Nun geht es - wieder mit Unterstützung dieser Firma - darum, ein sogenanntes Sanierungsumsetzungskonzept zu erarbeiten. Es beinhaltet unter anderem einen genauen Zeitplan, die komplette Personalplanung sowie den künftigen Zuschnitt der Stationen. Der Stadtrat will darüber voraussichtlich Ende Juli 2015 entscheiden.
Oberbürgermeister Dieter Reiter bedauerte die Entscheidung der beiden Klinik-Chefs. Beide wollten sich neuen Aufgaben widmen. Aus Sicht von FDP-Stadtrat Michael Mattar ist das sich immer weiter drehende Personalkarussell jedoch "das Ergebnis einer völlig desolaten rot-grünen Personalpolitik". Es zeige sich, dass es im früheren Rathausbündnis ausschließlich personelle Fehlentscheidungen gegeben habe.
Klinik-Sanierung Von Stephan Handel
Plan für den Notfall
Zehntausende Patienten kommen jedes Jahr mit kleinen Beschwerden in die Notaufnahmen der Münchner Kliniken. Das ist oft unnötig - und vor allem teuer für die Krankenhäuser. Darum wollen die Kliniken nun Daten sammeln.
Knochenbrüche, Herzinfarkte oder Schlaganfälle - etwa 105 000-mal pro Jahr fahren Krankenwagen die Notaufnahmen der Münchner Kliniken an. Das ist aber lange nicht die Zahl der dort versorgten Patienten. Viele Menschen kommen selbst mit Bagatell-Verletzungen oder harmlosen Erkrankungen, für die der Hausarzt oder der Ärztliche Bereitschaftsdienst ausreichend wären. Wie viele Patienten es genau sind, dass soll nun von Herbst an systematisch untersucht werden.
Darauf haben sich die vier Häuser der Städtischen Klinikum GmbH (StKM), das Rechts der Isar und das Klinikum der LMU mit den beiden Standorten Innenstadt und Großhadern verständigt. Die Initiative kam auf Anregung der StKM zustande. Ihr wird vorgeworfen, im Rahmen der Sanierung des maroden Tochterunternehmens der Stadt die Notfallversorgung vor allem in Schwabing und in Harlaching zu gefährden. In der Arbeitsgruppe, die das Thema behandelt, sind neben den Kliniken der Rettungszweckverband und das Innenministerium vertreten.
Patienten werden nicht weggeschickt
Allein das Klinikum Bogenhausen schätzt, dass 40 000 bis 50 000 Menschen pro Jahr wegen vergleichsweise harmloser Wehwehchen in die Notaufnahme kommen. Die Patienten werden aber nicht weggeschickt. Deshalb müssen auch für sie Ärzte, Pflegepersonal, Räume und medizinisches Gerät bereitgehalten werden. Lohnend ist das für die Kliniken nicht: Gerade mal 40 Euro bekommen sie für eine ambulante Versorgung.
Ein weiteres Problem wurde durch das 2013 eingeführte Ivena-System offensichtlich. Ivena steht für "Interdisziplinärer Versorgungsnachweis" und soll der Rettungsleitstelle helfen, im Notfall schneller ein geeignetes Krankenhaus für den Patienten zu finden. Zu diesem Zweck melden die Kliniken, welche Kapazitäten bei ihnen jeweils zur Verfügung stehen - und auch, wenn sie voll belegt sind und niemanden mehr aufnehmen können. "Warum die sich aber abmelden, das wissen wir nicht", sagt Stephan Prückner, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Notfallmedizin der LMU; dort laufen die Daten des neuen Projektes zusammen. So könnte es etwa sein, dass durchaus noch Betten frei wären - aber nicht genügend Personal im Dienst ist, um die Patienten zu versorgen.
Das erste Datenpaket kommt im Herbst
Mit der Datenerfassung sollen auch Argumente gesammelt werden gegenüber dem Innenministerium und den Krankenkassen. Denn die rechnen nur in Planbetten aus dem Krankenhaus-Bedarfsplan und halten den Kliniken dann vor, dass sie ja nur über eine 80-prozentige Auslastung verfügen, also eigentlich immer Betten frei sein müssten. "Der Krankenhaus-Bedarfsplan sagt aber nichts über die Notfallversorgung aus", sagt Prückner. So könnte es zum Beispiel sein, dass eine Klinik über einen Computertomografen verfügt - der aber nachts nicht eingesetzt werden kann, weil kein Radiologe da ist, der ihn bedient.
Auch die Diagnosen wollen sich die Mediziner genau anschauen, denn die sind im Rettungsdienst unscharf, weil es schnell gehen muss. Bislang werden die Erstdiagnosen nicht mit den späteren Diagnosen in der Klinik verknüpft. So könnte ein Patient mit Brustschmerzen eingeliefert werden - ein Symptom für eine Lungenentzündung, aber auch für einen Herzinfarkt. Genauere Daten über Anfangs- und Enddiagnosen könnten helfen, die Ausstattung der Kliniken besser zu planen.
Im Herbst soll das erste Datenpaket an das Institut für Notfallmedizin übermittelt werden - das gesamte Jahr 2013, womit eine aussagekräftige Datenmenge zur Verfügung steht. Die teilnehmenden Kliniken, also die städtischen und die beiden Uni-Häuser, behandeln jeweils ein Drittel der Notfälle. Der Rest verteilt sich auf private und gemeinnützige Träger, vor allem auf die Kliniken Pasing und Perlach, die zum Helios-Konzern gehören, sowie die Kliniken des Dritten Ordens, des Roten Kreuzes und der Barmherzigen Brüder. "Diese zwölf Kliniken behandeln 95 Prozent aller Notfälle in München", sagt Prückner.
Ärzte Zeitung online, 11.08.2014 16:18 Von Florian Staeck
Klinikreform soll es richten
Notaufnahmen unter Druck
Mehr und mehr Menschen suchen die Notaufnahmen in Krankenhäusern auf. Kliniken beklagen deren massive Unterfinanzierung. Die Regierung verweist auf die Bund-Länder-AG zur Klinikreform. Dort soll geprüft werden, ob es mehr Geld gibt.
BERLIN. Notaufnahmen in Kliniken ächzen unter wachsenden Patientenzahlen. Von den im Jahr 2012 knapp 18 Millionen stationär behandelten Patienten wurden fast 7,5 Millionen als Notfall aufgenommen. Das entspricht 41,5 Prozent und damit rund acht Prozentpunkte mehr als noch 2005.
Das geht aus der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Links-Fraktion hervor, die der "Ärzte Zeitung" vorliegt. Im Ergebnis ist die Zahl der Notaufnahmen von 5,42 Millionen Patienten (2005) auf 7,446 Millionen (2012) gestiegen.
Krankenhäuser beklagen eine massive Unterfinanzierung ihrer Notaufnahmen. Die Linksfraktion zitiert Studien, nach denen Kliniken pro ambulantem GKV-Notfall, der nicht stationär weiterbehandelt wird, rund 30 Euro von der Krankenkasse erhalten.
Die Deutsche Gesellschaft für interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin (DGINA) kalkuliert die durchschnittlichen Kosten für einen solchen Patienten auf 129 Euro. Die Behandlung dieser Patientengruppe sei "generell unterfinanziert", erklärte die DEGINA noch im Juli. Der Fehlbetrag addiere sich jährlich bundesweit auf bis zu eine Milliarde Euro.
6000 Arbeitsstunden pro Jahr bindet eine rund um die Uhr zu besetzende Notaufnahme, die Krankenhäuser außerhalb der regulären Arbeitszeit mit Personal abdecken müssen, hat der Rat der Gesundheitsweisen in seiem neuen Gutachten errechnet.
Kommentar der Sachverständigen: die Arbeitsbelastung habe sich so vermehrt, "dass diese Zeit vor allem in Krankenhäusern der Maximalversorgung im Schichtdienst abgeleistet werden muss, was eine zusätzliche Belastung darstellt, insbesondere für ältere Arbeitnehmer und solche in der Familienphase".
"Vielschichtige Ursachen"
Mit derlei konkreten Zahlen hält sich die Parlamentarische Staatssekretärin im BMG, Annette Widmann-Mauz, zurück. Die Ursachen von "gegebenenfalls ungedeckten Kosten" seien "äußerst vielschichtig". Widmann-Mauz stellt lediglich in Aussicht, dass die Bund-Länder-AG zur Klinikreform "prüft", ob die Vorhaltekosten der Notfallversorgung ausreichend finanziert werden.
Bereits im Koalitionsvertrag von Union und FDP war 2009 versprochen worden, der Notfallversorgung solle bei der Weiterentwicklung der DRG ein "Augenmerk" gelten. Ein Versprechen, das ohne Folgen geblieben ist.
Harald Weinberg, gesundheitspolitischer Sprecher der Linksfraktion, hat kein Verständnis, dass die Bundesregierung "nicht einmal in der Lage ist, zusammenhängende Daten zu Versorgungsproblemen im Notfallbereich zu liefern."
Weinberg sagte der "Ärzte Zeitung", für eine bestmögliche Versorgung müssten "Verteilungskämpfe und Zuständigkeitsgerangel zwischen den beiden Sektoren durch eine einheitliche Bedarfsplanung beendet werden".
Er forderte, die Bund-Länder-AG müsse die Weichen dafür stellen, "dass sich die Strukturen der niedergelassenen Ärzteschaft und der Krankenhäuser (mindestens) bei der Notfallversorgung sinnvoll ergänzen".
Die Bundesregierung gibt sich derweil überzeugt, dass die Notfallversorgung in Deutschland "grundsätzlich gut organisiert und gut ausgestattet ist". Das BMG hält indes die Fallpauschalen mit Blick auf die steigenden Fallzahlen für keine relevante Größe.
DRG nicht der maßgebliche Grund
Widmann-Mauz verweist in ihrer Antwort auf den Endbericht zur DRG-Begleitforschung, der im März 2013 erschienen ist. Nur drei Prozent der befragten Krankenhäuser, heißt es, hätten die DRG als "maßgeblichen" Grund für die Fallzahlsteigerung in Notaufnahmen angesehen.
Die Linksfraktion bezeichnet diese Argumentation als "Nebelkerze". Das BMG suggeriere, dass das Entgeltsystem in dieser Entwicklung keine Rolle spiele. Tatsächlich konstatieren die Autoren des IGES-Instituts in ihrem Gutachten, durch die Fallpauschalen hätten die Notaufnahmen wirtschaftlich an Bedeutung gewonnen - unter anderem als "Instrument der Patientengewinnung und -bindung".
Klare Worte zum Thema hat im Juni der Sachverständigenrat in seinem jüngsten Gutachtengefunden: Es entstehe ein "falscher Anreize zur stationären Aufnahme", wenn Krankenhäuser keine kostendeckende Vergütung für den Fall erhalten, dass ein als Notfall aufgenommener Patient wieder in die ambulante Versorgung entlassen wird.
Anteil der Notfallpatienten in Kliniken steigt
Entwicklung der DRG-Behandlungsfälle zwischen 2005 und 2012 | ||
Berichtsjahr | Vollstationäre Patienten aus dem DRG-Entgeltbereich insgesamt | davon mit Aufnahmeanlass Notfall |
2005 | 16.071.846 | 5.420.277 (33,7 %) |
2006 | 16.230.407 | 5.702.142 (35,1 %) |
2007 | 16.600.472 | 5.963.137 (35,9 %) |
2008 | 16.924.180 | 6.320.950 (37,3 %) |
2009 | 17.191.063 | 6.621.561 (38,5 %) |
2010 | 17.434.400 | 6.844.022 (39,3 %) |
2011 | 17.708.910 | 7.163.214 (40,4 %) |
2012 | 17.976.447 | 7.464.171 (41,5 %) |
Quelle: BMG , Tabelle: Ärzte Zeitung |
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Kritik am Konzept zur Klinik-Sanierung: Die Mitarbeiter fühlen sich ausgeschlossen
München - Bei der geplantenSanierung der Münchner Kliniken fühlen sich die Mitarbeiter ausgeschlossen. Deshalb kritisiert jetzt die Ärzte-Gewerkschaft Marburger Bund den Aufsichtsrat um Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD): Die Ärzte wollen mitreden.
Das Konzept zur Rettung der Kliniken, das die Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG) im Auftrag der Stadt erarbeitet hat, sei den Mitarbeitern bis jetzt nie in vollem Umfang vorgestellt und erklärt worden. Sämtliche Vorschläge der Beschäftigten habe man abgelehnt, heißt es. Dabei sei gerade die Erfahrung langjähriger Mitarbeiter wertvoll.
Auch inhaltlich kritisiert die Gewerkschaft das Konzept. So sei in dem Gutachten keine Analyse dazu zu finden, wie überhaupt der Bedarf an medizinischen Leistungen vor Ort ist. Abteilungen würden offenbar willkürlich zwischen Standorten verschoben. „Medizinische Zusammenhänge werden im Konzept an vielen Stellen nicht berücksichtigt“, heißt es in der Kritik. Speziell bei den Kliniken in Schwabing und Harlaching sei die Planung „illusorisch“. Die Standorte würden nach dem Konzept weiterhin „hohe Defizite“ erwirtschaften.
Bei den Krankenhäusern in Bogenhausen und Neuperlach sei die Lage unsicher: Hier sei weder geprüft worden, ob die Sanierungsmaßnahmen in der vorgegebenen Zeit machbar sind, noch, welche Risiken sich dabei auftun. Hier müsse schnell nachgebessert werden.
Christian Pfaffinger
Klares Votum
Grünwald · Notfallversorgung soll bleiben
Grünwald · Mit großer Sorger sehen die Gemeinderäte die Entwicklungen bezüglich des Betriebs des Harlachinger Klinikums, dessen Angebot im Rahmen der Umstrukturierung der Städtischen Kliniken verkleinert werden soll. |
In ihrer jüngsten Sitzung fassten die Räte daher einstimmig den Beschluss sich offiziell »für den Fortbestand der Vollversorgung am Krankenhaus Harlaching sowie die Aufrechterhaltung einer voll umfassenden Notfallversorgung für Erwachsene und Kinder auszusprechen«. Zugrunde lag ein Antrag der FDP-Fraktion, die vor einem Kahlschlag der Notfallversorgung warnte und daher vorschlug, dass der Gemeinderat die Stadt München und den Landkreis auf die Ängste der Bürger nicht nur in Grünwald, sondern im gesamten Landkreis hinweist.
Wie Bürgermeister Jan Neusiedl (CSU) berichtete, gab es bereits im Februar einen Briefwechsel mit dem damaligen Münchner Oberbürgermeister Christian Ude, in dem die Gemeinde Grünwald ihrer Sorge Ausdruck gab, dass die geplanten Veränderungen am Harlachinger Krankenhaus eine medizinische Versorgung in der derzeitigen Qualität nicht mehr bieten könnten. Vor allem eine Verlegung des in Harlaching stationierten Rettungshubschraubers »Christoph 1« nach Neuperlach würde für die Bürger große Nachteile mit sich bringen. Ude antwortete darauf, dass das Leistungsangebot der Städtischen Kliniken aus Kostengründen angepasst werden müsse, jedoch »die Notfallversorgung im Münchner Süden weiterhin ausreichend sei«.
Neusiedl erklärte den Gemeinderäten, dass zwar die Gemeinde Grünwald keine Entscheidungen für München treffen könne, jedoch klar ihren Willen zum Ausdruck bringen sollte. »Gerade bei Notfällen zählt jede Minute«, betonte er. Matthias Schröder (FDP) erklärte, dass »die Qualität der Versorgung massiv gefährdet sei«. Nach seinen Worten »droht keine Insolvenz der Kliniken«, daher sollte man sich Zeit nehmen und nichts übers Knie brechen. Hubertus Lindner (PBG) warnte davor, dass Grünwald keine Andeutungen machen sollte, sich finanziell zu beteiligen. Dem stimmte Neusiedl zu, meinte jedoch, dass es wichtig sei deutliche Worte zu finden, um die Bürger zu sensibilisieren. hol
30. Juni 2014
Von Dominik Hutter und Ekkehard Müller-Jentsch
Städtische Kliniken
Experten zweifeln am Sanierungskonzept
Der Sanierungsplan sieht starke Einschnitte beim Klinikum Schwabing vor. Steht die Notfallversorgung von Patienten auf dem Spiel? Das befürchten Fachabteilungen des Gesundheitsreferats. Doch in der Stadtratsvorlage taucht die Kritik am Sanierungskonzept für das städtische Klinikum kaum auf.
Die Fachabteilungen des Münchner Gesundheitsreferats haben offenbar erhebliche Einwände gegen dasSanierungskonzept für das städtische Klinikum. In einer 32Seiten langen internen Stellungnahme, die der SZ vorliegt, üben die Experten der Behörde aus medizinischer Sicht massive Kritik an den Plänen der Unternehmensberatung Boston Consulting, die in den nächsten Tagen im Stadtrat diskutiert werden sollen.
Als kritisch beurteilen sie vor allem die Verkleinerung der KrankenhäuserSchwabing und Harlaching, in deren Notfallzentren dann nicht mehr sichergestellt sei, "dass die Patienten adäquat versorgt werden können" - weil Fachabteilungen im Hintergrund fehlen. Ähnliche Bedenken kommen immer wieder auch aus Ärztekreisen sowie vom Hausärzteverband.
Schwabing und Harlaching, heute noch vollwertige Klinik-Standorte, sollen nach dem Vorschlag von Boston Consulting künftig nur noch über "lokale Notfallzentren" verfügen. Zwar sind weiterhin Operationsmöglichkeiten, Intensivstationen, Schockräume und Betten vorhanden. Kritische Fälle müssten jedoch nach Bogenhausen, Neuperlach oder in andere Krankenhäuser gebracht werden. Damit sei die Notfallversorgung der Münchner gewährleistet, versichert Klinik-Chef Axel Fischer.
Laut der Stellungnahme aus dem Gesundheitsreferat ist aber in dem geplanten Mutter-Kind-Zentrum in Schwabing "bestenfalls eine ausreichende Versorgung von frauenspezifischen Notfällen und bei Kindern gewährleistet" - es sei denn, man halte die entsprechenden Fachärzte und die notwendigen Gerätschaften speziell für die Notaufnahme vor. Dies aber sei sehr kostspielig, nicht nur wegen der hohen Personalkosten, sondern auch wegen der unweigerlich schlechten Auslastung der medizinischen Apparate. Eine fachärztliche Betreuung sei - neben der 24-Stunden-Präsenz eines erfahrenen Arztes für Notfallmedizin - für die Notfallversorgung unbedingt erforderlich, vor allem in den Bereichen Innere Medizin, Neurologie und Chirurgie.
Mitversorgung? - "Nicht machbar"
Die geplante "Mitversorgung" Schwabings per Beratung aus Bogenhausen sei aus zeitlichen und organisatorischen Gründen "nicht machbar". Ganz ähnlich sieht es laut dem Papier in Harlaching aus. Dort solle es zwar immerhin noch ein neurologisches Zentrum geben, dessen Kompetenz auch für Notfälle genutzt werden könne. Allerdings seien keinerlei operative Fachbereiche mehr vorgesehen, sodass das gesamte Personal und die OP-Infrastruktur ausschließlich für das Notfallzentrum vorgehalten werden müssten.
Sanierung des StadtklinikumLohnkürzungen für Klinik-MitarbeiterDen Mitarbeitern des Münchner Stadtklinikums stehen harte Einschnitte bevor: Jeder von ihnen soll im Schnitt 5000 Euro pro Jahr weniger verdienen, länger arbeiten - und auf Urlaubstage verzichten.
Eine Folge solcher Notaufnahmen zweiter Klasse, so warnen die Experten des Gesundheitsreferats, könnte sein, dass die Rettungsdienste künftig Schwabing und Harlaching meiden und bevorzugt andere Krankenhäuser anfahren. Dies könne fürs Stadtklinikum "existenziell" werden, da sehr viele Patienten über die Notaufnahme kämen. Sollten obendrein an den verbliebenen vollwertigen Notaufnahmen in Bogenhausen und Neuperlach Engpässe auftreten, "käme es zu einem massiven Vertrauensverlust ins städtische Klinikum als Notfallversorger und zu unter Umständen weiter zurückgehenden Fallzahlen", steht in der Stellungnahme.
Gegen den Abbau von etwa 800 Betten haben die Verfasser des Papiers keine Einwände. Ungünstig sei aber, dass dem Sanierungskonzept zufolge im Norden Münchens künftig keine stationäre Dialyse und auch keine Geriatrie mehr existiere und dass das Mutter-Kind-Zentrum in Schwabing ohne Gynäkologie geplant sei. Im Süden könnten Engpässe bei der Augenheilkunde auftreten - diesen Bereich will das Stadtklinikum weitgehend aufgeben. Zudem sei die künftige Rheumatologie in Bogenhausen zu klein geplant.
In der Beschlussvorlage für den Stadtrat, der in dieser und in der kommenden Woche über das Konzept von Boston Consulting befinden soll, taucht die Stellungnahme der Fachabteilungen nicht auf. In dem von Gesundheitsreferent Joachim Lorenz und Kämmerer Ernst Wolowicz gemeinsam formulierten Papier ist von "Einverständnis mit dem Medizinkonzept" die Rede - was bedeutet, dass sich Lorenz die Bedenken aus dem eigenen Haus wohl nicht zu eigen gemacht hat. Der Referent, der urlaubsbedingt nicht zu erreichen war, dürfte eine Abwägung vorgenommen haben - zugunsten des Erhalts des gesamten Unternehmens. Denn ein Alternativkonzept, um die Insolvenz abzuwenden, existiert bislang nicht.
Allerdings ist der Beschlussvorlage ein Fragen- und Antwortkatalog beigelegt, in dem einige Probleme aus der Stellungnahme aufgegriffen werden. Laut Klinikum muss die technische Ausstattung der Notfallzentren erst noch im Detail ausgearbeitet werden; es gelte, die "Infrastrukturvorhaltungen" zu minimieren. Fachärzte aus Bogenhausen und Neuperlach sollen Schichten in den Notaufnahmen in Schwabing und Harlaching übernehmen, um die Versorgung der Patienten sicherzustellen.
Aufstand in Harlaching
Bürger kämpfen gegen die Schließung der NotaufnahmeAktualisiert: 30.06.2014 - 14:52
+Bürgerprotest gegen den Bettenabbau im Klinikum Harlaching.© BodmerMünchen - Keine Spar-Notaufnahme im Klinikum Harlaching! Am Samstag haben dort rund 700 Münchner gegen die Sparpläne des Rathauses für das städtische Krankenhaus demonstriert.
Das Klinikum Harlaching soll von 750 auf 545 Betten geschrumpft werden. Das sieht das Sanierungskonzept der Boston Consulting Group (BCG) für die Kliniken vor. Statt der jetzigen Notaufaufnahme soll es in Harlaching künftig nur noch eine Portalklinik geben. „Dort werden dann die Patienten nur stabilisiert und für den Transport in eine andere Klinik fertig gemacht“, kritisiert der Harlachinger Internist Dr. Ulrich Drexel.
Auch am städtischen Klinikum Schwabing soll es künftig nur noch eine Portalklinik geben, voll ausgerüstete Notaufnahmen sind nur noch in Bogenhausen und Neuperlach vorgesehen.
Dr. Drexel: „Ich möchte sehen, wie ein Notfallpatient am Spätnachmittag von Schwabing nach Bogenhausen gebracht werden soll, wenn der ganze Ring im Stau steht.“ Hinzu käme, dass im Münchner Süden in den kommenden Jahren ein Bevölkerungszuwachs von 30 Prozent erwartet werde. Auch die Gemeinden im südlichen Landkreis München kritisieren die Sparpläne.
Dr. Drexels Resümee: „Die Notfallversorgung in München ist gefährdet, wenn das jetzige Konzept umgesetzt wird.“
Nikolaus Hoenning von der Initiative Klinikum Harlaching kritisiert: „Einmal mehr soll hier eine intransparente Entscheidung getroffen werden, ohne die betroffenen Bürger zu beteiligen.“
Johannes Welte
Angebot soll erhalten bleiben
Keine Kürzungen im Krankenhaus Harlaching gefordert
Harlaching · Die Front der Gegner eines geplanten Schrumpfungsprozesses im Krankenhaus Harlaching wird immer breiter. |
Nachdem zuletzt bereits der örtliche Bezirksausschuss Untergiesing-Harlaching klar gegen die Planspiele eines Abbaus von Beschäftigten und Abteilungsinfrastruktur Stellung bezogen hatte, formiert sich nun weiterer Widerstand. Nach Plänen der in arge finanzielle Bedrängnis geratenen Klinik GmbH und der Stadt soll das Klinikum Harlaching seinen Status als Maximalversorger einbüßen und neben Einschnitten beim Personal auch die Bettenzahl von 750 auf nur noch 400 bis 500 Patientenbetten verringert werden. Für viele Akteure der Stadt und des Landkreises eine nicht hinnehmbare Einschmelzung des medizinischen Angebotes in der Traditions-Klinik.
Ein Wortführer der vollumfänglichen Versorgung und deren Erhaltes ist der Harlachinger CSU-Stadtrat Reinhod Babor (CSU). Der Christsoziale hat jetzt sogar eine entsprechende »Initiative Klinikum Harlaching« ins Leben gerufen, die vor allem für die Erhaltung einer umfassenden Notfallversorgung am Klinikum kämpfen will.
Entgegengesetzte Forderungen
»Die Notfallversorgung muss so gewährleistet bleiben wie bisher«, fordert Babor. Dazu sei es auch notwendig die entsprechenden Abteilungen für die Versorgung der Patienten beizubehalten. Für seine Initiative hat er mit der CSU, der SPD, den Grünen, der FDP sowie der HUT-Fraktion wichtige Stadt-Player als Unterstützer ins Boot geholt. Dazu machen auch in der Region einige Kommunen mit Blick auf die medizinische Versorgung in Harlaching immer deutlicher mobil. In einigen Gemeinderäten wurden bereits entsprechende Forderungen eines vollständigen Erhalts des Klinikums Harlaching mit breiten Mehrheiten beschlossen – so in Unterhaching, Sauerlach oder Straßlach.
Für Reinhold Babor sind die Kürzungspläne mit Blick auf Harlaching ohnehin nicht nachvollziehbar. »Das Gelände bietet von seiner Infrastruktur derart gute Möglichkeiten, dass man eher über einen Ausbau des medizinischen Angebotes dort nachdenken sollte«, fordert der erfahrene Stadtpolitiker ein klares Umdenken.
Breite Front gegen Kürzungen
»Die Fachabteilungen müssen erhalten bleiben«, fordert auch die Gemeinschaft der Münchner Hausärzte. »Nichts gegen eine sinnvolle Umstrukturierung, aber Kardiologie, Endoskopie, Intensivmedizin und chrirurgische OP-Einheiten müssen weiter voll umfänglich erhalten bleiben«, zählt Dr. Oliver Abbushi auf. In diesen Tagen werden Konsultationen zwischen der Initiative und den städtischen Kliniken stattfinden. Möglichst will man auch den Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) mit im Beratungsboot haben. Wie sein Vorgänger Christian Ude soll auch Reiter dem Aufsichtsrat der Klinik GmbH künftig vorstehen.
H. Hettich
Sehr geehrter Oberbürgermeister Dieter Reiter, sehr geehrter Bürgermeister Josef Schmid, sehr geehrte Bürgermeisterin Christine Strobl, sehr geehrte Damen und Herren Stadträte der Landeshauptstadt München,
der Seniorenbeirat der Landeshauptstadt München hat in seiner Plenumssitzung am 21. Mai 2014 nachfolgenden Antrag und die dazu gehörigen Fragen zur Korrektur des Gutachtens der Boston Consulting Group einstimmig beschlossen.
Antrag:
Der Seniorenbeirat fordert die Landeshauptstadt München auf im Zuge der Sanierung der städtischen Kliniken
Begründung
Nach der Fach- und Ablaufkenntnis der vor Ort in den Kliniken arbeitenden Ärzte hat das BCG-Gutachten die Zahlen und die medizinische Qualität der geleisteten Notfallversorgung insbesondere im Klinikum Harlaching unzutreffend und damit unzureichend erfasst und zur Grundlage der Vorschläge zur Sanierung der Kliniksituation gemacht.
Im öffentlichen Interesse medizinisch kompetenter Versorgung der BürgerInnen im Münchener Süden und den südlich angrenzenden Landkreisen ist es zur Daseinsvorsorge geboten, die medizinische Qualität der Notfallversorgung im Klinikum Harlaching zu erhalten und nach dem neuesten fachlichen Standard auszubauen.
Sollte die räumliche Beschaffenheit der bestehenden Klinikbauten dafür nicht geeignet sein, so sind die überalterten Komplexe durch Neubauten zu ersetzen. Die Grundfläche und die Pläne dazu liegen vor.
Der Kostenaufwand für die Versorgung älterer multimorbider Patienten, die nahezu ausschließlich in städtischen Kliniken Aufnahme finden, ist verpflichtend als Kosten allgemeiner öffentlicher Daseinsvorsorge aus Steuermitteln zu finanzieren. Dabei die wachsende Zahl dieser Patientengruppe gemäß demografischer Entwicklung zu berücksichtigen.
Das Gutachten der BCG enthält keine konkreten Hinweise auf Einsparmöglichkeiten durch Verbesserung/Verschlankung der Verwaltungsabläufe. Das ist nachzuholen. Es kann nicht angehen, Einschränkungen der medizinischen Versorgung der BürgerInnen aus Kostengründen zu empfehlen, ohne dezidierte Vorschläge zur Verwaltungsvereinfachung mit dem Ziel der Kostenersparnis vorzulegen. Solche Überlegungen sollten auch nicht das Abrechnungssystem insgesamt aussparen.
Der Seniorenbeirat fordert die Landeshauptstadt München auf, bei der Boston Consulting Group ergänzend zu folgenden Fragen Stellung zu nehmen:
Begründung:
Das Zahlenwerk, aus welchem die Boston Consulting Group den radikalen Schrumpfungskurs für die Kliniken Harlaching und Schwabing folgert, ist fachlich unzureichend und damit irreführend (siehe SZ vom 30.4.14 R10). Die Gutachter sind daher aufzufordern vollständige Zahlen zu den jeweils behandelten Notfallpatienten und zu den Zahlen der geriatrisch versorgten multimorbiden älteren Patienten vorzulegen und auf dieser Grundlage die Ergebnisse des Gutachtens vom 28.2.14 zu korrigieren.
An die ergänzenden Auskünfte sind sodann weitere Schlussfolgerungen und Forderungen zu knüpfen.
Die Tatsache, dass ein hoher Anteil der Notfallpatienten in den Fachabteilungen versorgt werden, zeigt bereits an, dass eine Schließung dieser Fachabteilungen in Harlaching und Schwabing die Notfallversorgung insgesamt infrage stellen würde.
Wir bitten um Behandlung und Beantwortung.
Mit freundlichen Grüßen
Ingeborg Staudenmeyer
Vorsitzende
München - Die Münchner Notfallhelfer rücken pro Tag etwa 300 Mal aus. Wird die Versorgung leiden, wenn beim Klinikum München empfindlich gespart wird? Ein Stadtrats-Hearing sollte gestern Auskunft geben. Derweil hat ein Privatmann die Münchner Stadtspitze wegen des Klinik-Debakels verklagt.
Unsicherheit in Schwabing: Wird das Haus 2022 noch eine vernünftige Notfallversorgung bieten können? FOto: Klaus Haag
106 000 Notfälle bringen die Rettungsdienste in München jährlich in Münchner Kliniken - 44 Prozent davon in die städtischen Häuser. Doch nur zwei und nicht mehr vier von denen sollen nach den Sanierungsplänen der Boston Consulting Group (BCG) „Maximalversorger“ sein - Bogenhausen und Neuperlach. Die Kliniken Schwabing und Harlaching werden gesundgeschrumpft, 2000 Stellen fallen weg. „Im Jahr 2022 werden wir aber immer noch 39 Prozent der Notfallversorgung übernehmen können“, kündigte Axel Fischer, der Vorsitzende Geschäftsführer der Klinikum GmbH, im Rathaus an.
Um die Notfallversorgung in München ging es gestern beim sogenannten Stadtratshearing. Gestritten worden war ja bereits ausgiebig über die Pläne der BCG und über Fischers Prognosen - und er bekam auch diesmal genügend Watschen von einigen Stadträten und Interessensvertretern. Zunächst aber ging es darum: Wie steht’s derzeit überhaupt um die Notfallversorgung? Zur Situation standen neun Institutionen Rede und Antwort.
Die generelle Antwort ist: ziemlich gut. Allerdings sind die Notfälle in den vergangenen zehn Jahren um 30 Prozent gestiegen - und in den kommenden 30 Jahren werden wegen der Überalterung und ihrer Folgen weitere 30 bis 40 Prozent mehr auf die Stadt zukommen, sagte Stefan Prückner vom Institut für Notfallmedizin und Medizinmanagement. „Die Kliniken sollten sich bei ihren Planungen darauf einstellen.“ Schon jetzt gebe es nämlich in der internistischen Intensivversorgung Engpässe, betonte Karl-Georg Kanz, der Ärztliche Leiter des Rettungsdienstes München.
Pro Tag müssen laut Kanz im Schnitt sechs Schlaganfälle, fünf Herzinfarkte und zwei Schwerstverletzungen notversorgt werden. Rettungsdienste erkennen mittels eines internetbasierten Leitstellensystems sofort die Kapazität in den einzelnen Kliniken für das Krankheitsbild - und können dann gezielt eine ansteuern. „In 95 Prozent der Fälle sind wir dafür weniger als zwölf Minuten unterwegs“, betonte Wolfgang Schäuble, der Leiter der Branddirektion im Kreisverwaltungsreferat.
Lässt sich das alles gewährleisten, wenn massiv gespart wird? Fischer jedenfalls betonte: „Wir haben eine Überversorgung an Maximalversorgern. In München komme ein Krankenhausbett auf 216 Einwohner. In Berlin seien es 577, in Hamburg 524 und in Düsseldorf 456. Also sollen sich Harlaching und Schwabing auf wenige Kerngebiete „spezialisieren“ - von den dortigen Notaufnahmen könnten die Patienten dann gegebenenfalls an die Maximalversorger weiterverlegt werden. „Wir haben die Kardiologie vier Mal, in allen Häusern, insgesamt 16 Mal in München“, sagte Fischer. „Das braucht diese Stadt nicht.“
Auf den Deckel gab’s dafür von den Ärztevertretern. Siegfried Rakette vom Ärztlichen Kreis- und Bezirksverband wünschte viel Spaß dabei, einen akuten Herzpatienten von Schwabing über den Stau am Isarring nach Bogenhausen zu bringen. „Da geht wichtige Zeit verloren“, betonte auch Oliver Abbushi vom Bayerischen Hausärzteverband. „Wir befürchten eine deutliche Verschlechterung der Versorgung und den Weg in die Zwei- Klassen-Medizin.“ Besonders Patienten, deren Krankheitsbild nicht sofort klar sei, hätten das Nachsehen, wenn an Kardiologie und Chirurgien eingespart werde. „Bogenhausen und Neuperlach werden überlastet sein.“ Karl-Walter Jauch, der Ärztliche Direktor des LMU-Klinikums, gab zu bedenken, die Uni selbst habe bei Einführung ihrer „Portalklinik“ Qualitätsrisiken erkannt: „Man tut sich in der Akquise von Fachpersonal für verschlankte Kliniken schwerer.“ Außerdem bestünde die Gefahr, dass die Motivation bei der Belegschaft sinke - und dass die verschlankten Kliniken nicht mehr als Kompetenzzentren wahrgenommen würden. Dann verlören sie in der Bevölkerung, aber auch bei Notärzten an Ansehen. Schockräume für mindestens zwei Patienten sowie eine ausreichende OP- und Intensivkapazität seien unabdingbar.
Der von der Kritik vieler Stadträte sichtlich genervte Fischer versprach, dass nirgendwo so viele Betten abgebaut würden, dass die Notversorgung in Gefahr sein. Er gab zu bedenken, dass das Konzept doch erst in groben Zügen bestehe. „Wir gehen in die Diskussion, wenn der Stadtratsbeschluss da ist.“ Ob der Stadtrat auch in seinem Sinne entscheidet, ist nach diesem Hearing freilich keineswegs klar. Am 8. Juli entscheidet das Gremium.
Unterdessen ist bei der Staatsanwaltschaft München eine Klage gegen die Verantwortlichen im Rathaus eingegangen, wie die Behörde auf Anfrage bestätigte. Uwe Alschner, Geschäftsführer des bundesweiten Interessenverbands Kommunaler Krankenhäuser, klagt wegen „etwaiger Veruntreuung öffentlichen Vermögens durch Unterlassen“. Gesundheitsreferent Joachim Lorenz (Grüne) hatte in einem Zeitungsinterview gesagt, die Stadtpolitik habe zehn Jahre zu spät auf die Krise reagiert. So hat sie nach Alschners Dafürhalten sehenden Auges Millionen an Steuergeld vernichtet.
Hep Monatzeder (Grüne), der bis Herbst 2013 als Dritter Bürgermeister für die Krankenhäuser zuständig war, reagierte gestern mit Unverständnis. Man habe stets auf Basis eines Expertengutachtens entschieden. Außerdem habe er als Aufsichtsratschef „desöfteren Entscheidungen beim Stadtrat angemahnt“.
Johannes Löhr
PRESSEINFORMATION
Bürger müssen gegen Klinikum-Pläne auf die Barrikaden gehen
Klinikum Harlaching droht der Infarkt
Haar, 19.05.2014 – Jahrelang galt das Klinikum Harlaching als Akutklinik der Maximalversorung – medizinische Versorgung auf höchstem Niveau und Notfallhilfe rund um die Uhr, insbesondere auch für den südlichen Münchener Landkreis. Die Umsetzung des Sanierungsgutachtens der als Berater des Städtischen Klinikum München GmbH (StKM) fungierenden Boston Consulting Group (BCG) steht kurz bevor und gefährdet die Vollversorgung von medizinischen Notfällen akut.
Was über viele Jahre von der Münchner Stadtregierung ignoriert wurde, soll nun in kürzester Zeit mit einem Kahlschlag korrigiert werden: die wirtschaftliche Situation der Münchner Stadtkliniken. Aus einem Gutachten der Boston Consulting Group resultiert ein Konzept, das insgesamt eine dramatische Betten-Reduzierung in den fünf Münchner Kliniken der StKM vorsieht. Gleichzeitig verliert damit u.a. das Klinikum Harlaching seinen Status als Maximalversorger mit Versorgungsauftrag. Damit ist die Notfallversorgung im Südwesten Münchens und im südlichen Landkreis lebensbedrohend gefährdet.
Das Klinikum Harlaching ist neben dem Klinikum Schwabing das größte Notfallzentrum Münchens. Beide Häuser bewältigen hier jährlich rund 130.000 Fälle, die zwischen Leben und Tod stehen. Durch den geplanten Abbau von 250 – 300 Betten am Klinikstandort Harlaching und die entsprechende Umstrukturierung der entsprechenden Abteilungen am Klinikum Harlaching müssten akute Herzinfarkt- oder Schlaganfall-Patienten, insbesondere auch schwerverletzte Kinder zeitraubend nach Neuperlach oder Bogenhausen transportiert werden. Diese Weiterverlegung spielt mit dem Leben der Bürger, besonders wenn im Einzelfall über die Rettungsleitstelle keine Intensivstations- oder OP-Kapazitäten an den beiden Universitätskliniken disponiert werden können, wenn dort gleichzeitig Notfälle versorgt werden müssen und die Notfallversorgung in einzelnen Fachbereichen deswegen vorübergehend abgemeldet wird.
Da das auf Sparkurs getrimmte Zukunftskonzept für die Münchner Stadtkliniken mit dem Klinikum Harlaching direkten Einfluss auf die im angrenzenden Landkreis München lebenden Bürger nimmt, sieht sich der FDP-Kreisverband München Land auf den Plan gerufen. FDP Kreisvorsitzender Ralph Peter Rauchfuss, der stellvertretende FDP-Kreisvorsitzende und FDP-Gemeinderat der Gemeinde Grünwald Dr. Matthias Schröder, selbst Arzt und Mitglied des Landesfachausschuss Gesundheitspolitik der FDP Bayern sowie der Fraktionsvorsitzende der FDP im Kreistag Tobias Thalhammer, sehen akuten Handlungsbedarf, der über die Stadtgrenzen hinaus geht. Thalhammer bezieht hier energisch und klar Stellung zu der Situation: “Wir lehnen das von der Stadt geplante Stutzen des Klinikums strikt ab“. „Die medizinische Notfallversorgung muss für alle Bürger zugänglich sein und darf ihnen nicht entzogen werden, nur weil möglicherweise die wirtschaftlichen Grundlagen nicht gegeben sind“, ergänzt Rauchfuss.
Für Dr. Matthias Schröder sind die Überlegungen der Weiterverlegung von Notfallpatienten, schwerverletzten Kindern und anderen unfallverletzten Personen nicht nachvollziehbar. „Jede verlorene Minute der Notfallbehandlung schädigt dauerhaft die Gesundheit des Patienten und gefährdet im schlimmsten Fall sogar sein Überleben“.
Die FDP-Vertreter fordern eine umfängliche Information der Bürger und eine weitgehende Transparenz in allen weiteren Entscheidungsschritten. Offenbar werden die Inhalte der Boston Consulting Analyse in wichtigen Teilen unter Verschluss gehalten, um dem Bürger alternative Lösungsmöglichkeiten vorzuenthalten (z.B. die Prüfung einer aufkommensneutralen organisatorischen Ausgliederung des Klinikstandortes Harlaching aus der StKM zur Aufrechterhaltung der Maximalversorgung). Die FDP München Land unterstützt den Verein Initiative Harlaching, der zu dem gesamten Thema unter www.change.org (Stichwort Klinikum Harlaching) eine online Petition gestartet hat.
Sehen Sie sich dazu folgenden Link an:
www.swr.de/odysso/blutige-entlassung/-/id=1046894/did=3886696/nid=1046894/hy7y1l/index.html
Pressemitteilung der Pressestelle der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Hessischen Landtag vom 11.03.2013
www.gruene-hessen.de/landtag/pressemitteilungen/gruene-landtagsfrakt-3/
Krankenhaus Harlaching: Gibt's hier bald Tote?
Thomas Gautier, 27.04.2014 16:32 Uhr
CSU-Stadtrat Reinhold Babor wettert gegen die geplante Sanierung des Standortes im Münchner Süden – und das mit markigen Worten.
Harlaching - Es gibt sie seit März, doch sie hat erst 25 Mitglieder. Deshalb hilft CSU-Stadtrat Reinhold Babor etwas nach, um seine „Initiative Klinikum Harlaching“ voranzutreiben. Er gibt heute Abend dazu eine Pressekonferenz im Ratskeller – und haut vorab ganz schön auf den Putz.
Hintergrund ist die Finanzkrise der Städtischen Kliniken. Experten der Boston Consulting Group (BCG) wollen aus Spargründen die Standorte Harlaching und Schwabing verkleinern.
Für Reinhold Babor ein katastrophaler Vorschlag: Sollten die BCG-Pläne umgesetzt werden, könne die Stadt in Harlaching „das Überleben von Menschen in akuten Notfällen nicht mehr sicherstellen“, schreibt er.
„Nach einer Zerschlagung wichtiger Abteilungen in Harlaching wird lediglich eine Stabilisierung und der Weitertransport lebensgefährlich verletzter Menschen angeboten.“ Das sei unverantwortlich. „Letztendlich wird dadurch der Tod von Notfallpatienten in Kauf genommen, um Kosten zu drücken“, so Babor.
Seinen Stadtrats-Kollegen ruft er noch zu: „Wer das Ende der Notfallversorgung in Harlaching beschließt, der muss auch den Tod derer verantworten, die im Ernstfall nicht mehr rechtzeitig oder mangelhaft versorgt werden.“
SZ-Artikel vom 24.4.14
Jede 2. Klinik in Bayern schreibt rote Zahlen...
http://www.sueddeutsche.de/bayern/marode-kliniken-in-bayern-dringend-therapiebeduerftig-1.1943038#
Sueddeutsche Zeitung 28. Februar 2014 10:56
Sanierung der Münchner Kliniken Wie Harlaching gerettet werden soll
Von Stefan Mühleisen und Jürgen Wolfram Unmittelbar vor der Veröffentlichung des detaillierten Sanierungskonzepts für das Stadtklinikum formiert sich breiter Widerstand gegen die drastische Schrumpfkur für das Krankenhaus Harlaching. Selbst in der Stadtspitze gibt es Kritik: "Ich werde mich mit aller Kraft dafür einsetzen, dass das gesamte Spektrum für alle Notfälle angeboten wird", sagte Gesundheitsreferent Joachim Lorenz (Grüne) am Mittwochabend bei einer Informationsveranstaltung in Harlaching. Er griff damit die Forderung auf, wichtige Fachabteilungen zu erhalten und die Klinik nicht auf eine sogenannte Portalklinik mit lediglich ambulanter Notfallversorgung zu reduzieren. Kritik am Sanierungskonzept äußern etwa der Hausärzteverband, Klinikärzte und viele Stadtteilpolitiker. Bisher sind nur die Eckpunkte eines Sanierungsgutachtens bekannt, das die Beraterfirma Boston Consulting Group erstellt hat. Dieses sieht vor, nur noch die Standorte in Bogenhausen und Neuperlach als Maximalversorger zu erhalten; beide sollen saniert und ausgebaut werden. In Harlaching sollen bis2020 von den derzeit 750 Betten 250 bis 350 abgebaut werden, das KlinikumSchwabing soll von 900 auf 200 Betten schrumpfen. Beide Häuser würden damit zu Portalkliniken mit einzelnen Spezialabteilungen und lediglich einer ambulanten Notfallversorgung. Lorenz ließ jedoch durchblicken, dass er mit den Streichplänen für Harlaching nicht einverstanden ist. "Aus meiner Sicht brauchen wir hier einen angemessenen fachlichen Hintergrund für eine stationäre Nothilfe", sagte er und nannte die Bereiche Inneres, Chirurgie, Anästhesie sowie Neurologie, welche die Klinik weiterhin angemessen bereitstellen solle. Er gab zudem zu bedenken, dass der in Harlaching stationierte Rettungshubschrauber die Hälfte der Notfallpatienten nach Harlaching und Schwabing bringe. "Das zeigt die Bedeutung der Häuser", sagte Lorenz und gab zu erkennen, dass nicht Harlaching, sondern der Standort in Neuperlach zum "Satellitenkrankenhaus" werden solle. Die Erweiterungspläne dort sieht offenbar auch der Chef der Lokalbaukommission, Cornelius Mager, skeptisch. In Neuperlach gebe es "nur eine gewisse Verdichtungsfläche", sagte er. Für das Harlachinger Areal gebe es laut Bebauungsplan viele Entwicklungsmöglichkeiten. "Das Gelände hat Zukunft." Das detaillierte Sanierungskonzept wird Oberbürgermeister Christian Ude (SPD), zugleich Chef von Aufsichtsrat und Lenkungskreis des Klinikums, voraussichtlich an diesem Freitag vorstellen. Zugleich warnen Mediziner davor, dass die Akutversorgung von Schwerverletzten und schwerkranken Menschen im Süden von Stadt und Landkreis München nicht mehr gewährleistet sei. "Das ist so, als wenn in München die Standorte der Feuerwehr halbiert werden", sagte Ulrich Heindl, Oberarzt in der Harlachinger Nothilfe. Nach seiner Kenntnis habe auch der Rettungszweckverband bereits erhebliche Bedenken angemeldet. Auch fürchten viele Mediziner eine Abwärtsspirale, die mit der Klinikverkleinerung in Gang käme. "Die Hausärzte werden uns keine Patienten mehr schicken. Und die, die laufen können, werden woanders hingehen", warnte Klinik-Betriebsratsmitglied Peter Hoffmann. Dies prophezeit auch der Bayerische Hausärzteverband. Gegen die Harlachinger Kürzungspläne stemmen sich nicht nur die Bezirksausschüsse im Süden. Auch die Gemeinden im Landkreis München wollen die Vollversorgung erhalten. Grünwalds Bürgermeister Jan Neusiedl (CSU) hat eine finanzielle Beteiligung seiner Gemeinde angeboten. Sein Unterhachinger Kollege Wolfgang Panzer (SPD) sieht jedoch den Landkreis in der Pflicht. Der Münchner CSU-Stadtrat Reinhold Babor artikulierte bereits eine Idee, wie sich dies realisieren ließe: mit einem Zweckverband. Diese Idee sieht Landrätin Johanna Rumschöttel (SPD) jedoch "sehr skeptisch", wie sie sagt. Einerseits deshalb, weil der Landkreis vor einigen Jahren seine Kliniken in Perlach und Pasing privatisiert hat. "Wir würden durch die Hintertür dann doch wieder ein kommunales Krankenhaus übernehmen." Andererseits hat die Stadt nach ihren Worten noch jedes Angebot für eine Zweckverbandsvereinbarung abgelehnt, wenn es um die Beteiligung an Schulen ging. Rumschöttel sagt, die Stadt solle über eine Privatisierung der Klinik in Harlaching nachdenken, was ihr Parteifreund Ude bislang strikt ablehnt. "Dann wäre die Stadt die Sorgen los und die Versorgung der Bürger ist gesichert." ______________________________________________________________________
SZ-Artikel vom 5. Februar 2014 18:27
Den städtischen Kliniken droht ein Stellen- und Bettenabbau.
Weniger Betten, weniger Personal, weniger Abteilungen: Das Sanierungskonzept für die Münchner Kliniken sieht vor allem am Standort Schwabing harte Einschnitte vor. Die Ärztegewerkschaft ist empört - und der Betriebsrat will sich wehren.
Von Dominik Hutter, Sebastian Krass und Silke Lode
Gegen den harten Sanierungsplan für die städtischen Kliniken regt sich Widerstand. Die Ärzte-Gewerkschaft Marburger Bund attestierte den Beratern der Boston Consulting Group angesichts ihrer Vorschläge "eine geringe Kenntnis des Münchner Gesundheitsmarkts" und erklärte, für die Standorte Thalkirchner Straße und Schwabing seien "die Auswirkungen zwischen einer befürchteten Insolvenz und dieser sogenannten Sanierung" nicht mehr groß. Besonders scharf kritisierte der Marburger Bund den Plan, in Schwabing eine Poliklinik zu bilden. Betriebsratschef Christoph Emminger bezeichnete dies als "Konzept aus der Mottenkiste der jüngeren Geschichte", gemeint ist die DDR.
Der Betriebsrat des Schwabinger Krankenhauses will sich vehement dafür einsetzen, das Haus in seiner jetzigen Größe zu erhalten. Das Sanierungskonzept sei medizinisch fragwürdig, erklärte Emminger, der auch Mitglied des Aufsichtsrats ist. Er hat "massive Zweifel", dass ein derart abgespecktes Haus auf dem Gesundheitsmarkt überleben kann. Zudem drohe ein Exodus der qualifizierten Mitarbeiter. "Es wird ein unvorstellbarer Aderlass", warnte der Mediziner. "Der Betrieb wird nicht mehr funktionieren." Im Rathaus bahnt sich dagegen ein pragmatischer Kurs an. Angesichts der finanziellen Misere des Klinikums, so die parteiübergreifende Haltung, gebe es zu den Einschnitten wohl keine Alternative.
Betroffen sind vor allem Schwabing und Harlaching
Das am Dienstag von Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) vorgestellte Konzept für die Krankenhäuser in Bogenhausen, Harlaching, Neuperlach, Schwabing und an der Thalkirchner Straße sieht eine radikale Schrumpfkur vor.30 der 69 Abteilungen sollen zusammengelegt, 800 von fast 3300 Betten abgebaut werden. Federn lassen müssen vor allem Schwabing und Harlaching, die Hautklinik an der Thalkirchner Straße soll komplett nach Neuperlach umziehen.
In der "Vision 2020" der Boston Consulting Group tauchen drei Abteilungen gar nicht mehr auf: Augenmedizin, Rheumatologie sowie der Bereich Hals-Nasen-Ohren. Sie stehen nach SZ-Informationen komplett zur Disposition. Neuperlach und vor allem Bogenhausen wären die Gewinner des Konzepts, über dessen Umsetzung noch nicht entschieden ist. Der Stadtrat diskutiert die Pläne erstmals an diesem Donnerstag. Ein abschließender Beschluss wird erst Ende Mai erwartet, im dann neu gewählten Stadtrat.
Politische Vorarbeit scheint Ude nicht geleistet zu haben: Selbst Mitglieder des Aufsichtsrats erfuhren erst aus der Zeitung von den Vorschlägen der Unternehmensberater. Dominik Schirmer, für Verdi Mitglied in Udes Lenkungskreis, wurde am Dienstag von der Nachricht überrascht, dass sich der OB plötzlich betriebsbedingte Kündigungen als letztes Mittel vorstellen kann.
Stadtklinikum München Chefsessel als Schleudersitz
Als Stadtklinikums-Chefin wurde Elizabeth Harrison von OB Christian Ude entmachtet, genau wie ihr Vorgänger Hep Monatzeder. Ude hat die Probleme des Klinikums zu lange nicht ernst genug genommen. Nun wagt er sich selbst auf einen der Schleudersitze.
Kritik aus allen Richtungen
Dass die Einschnitte so gravierend ausfallen, führt die Opposition auf Misswirtschaft und Passivität der Rathaus-Mehrheit sowie Stellenvergaben nach Parteibuch zurück. Offenbar müssten nun "die Beschäftigten der Kliniken die Zeche für jahrelanges rot-grünes Klinikversagen zahlen", erklärte CSU-Fraktionschef Josef Schmid. Auch nach Einschätzung der FDP sind die notwendigen Sanierungsschritte verschleppt worden. "SPD und Grüne haben jahrelang geschlafen und bekommen nun die Quittung dafür", kritisierte Fraktionschef Michael Mattar. Einwände gegen das Konzept selbst gab es nicht. Die CSU traut sich noch kein Urteil zu. Das komplette Gutachten mit allen Prognosen und Zahlen wird erst in dreieinhalb Wochen fertig.
Ude hat jedoch klar gemacht, dass das Klinikum ohne massive Einschnitte finanziell nicht überleben kann. Zwar überweist die Stadt im Mai die nächste Rate des 2011 beschlossenen 200-Millionen-Euro-Zuschusses - mit den 60Millionen ist der Konzern mindestens bis Mitte 2015 vor einer Insolvenz sicher. Danach allerdings sind weitere Zuschüsse in Millionenhöhe nötig. Da solche Finanzspritzen europarechtlich als Beihilfen gelten, muss die Stadt nachweisen, dass auch ein Privater eine solche Investition tätigen würde. Für diesen "Private-Investor-Test" bedarf es eines tragfähigen Konzepts, wie der Konzern in die schwarzen Zahlen kommt. Diese Funktion soll der Vorschlag von Boston Consulting übernehmen - es geht also keineswegs nur um die langfristige Perspektive, sondern ganz akut um die Abwehr der Pleite.